Montag, 12. August 2013

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 12.8.2013

Am Samstag war in der Stadt Bern in einigen Museen, im Rahmen
einer Aktion, der Eintritt gratis. Da meine Freundin und ich schon
seit einiger Zeit im Sinn hatten, einmal zusammen in's Museum zu
gehen, nutzten wir diese Gelegenheit und gingen in's Kunstmuseum,
in dem gerade zwei interessante Ausstellungen liefen: eine über
Symbolismus in der Schweizer Kunst, die andere über die Tiere
im Werk des Malers und Kinderbuchautors Ernst Kreidolf.
Zunächst gingen wir in's Erdgeschoss zu den "Alten Meistern",
für mich immer eines der Highlights bei Besuchen im Berner
Kunstmuseum. Die Syrinx, die vor Pan flieht, wie sie Joseph
Werner d.J., ein Barockmaler im damaligen Bern, darstellte,
habe ich schon einige Male skizziert. Der Mythologie nach soll
Pan einer Nymphe namens Syrinx nachgestellt haben, die sich
während der Flucht in Schilfrohr verwandelte. Pan machte da-
raus ein Instrument, die Syrinx oder Panflöte. Natürlich wurde
die Panflöte nicht wirklich von einem heidnischen Hirtengott
erfunden, aber unsere Vor-vor-vorfahren mythologisierten eben
gern. Meiner Freundin gefiel der Teil mit den Barockgemälden-
einige Stilleben, viele Portraits, ein paar Allegorien- eher weni-
ger, obschon auch sie, ebenso wie ich, den berühmtesten Barock-
maler, Peter Paul Rubens, recht gut mag. Leider hat Bern keinen
Rubens, da müsste man, wenn man in der Schweiz bleiben will,
nach Zürich oder Basel. Joseph Werner galt zwar als eine Art
"Schweizer Rubens", kam aber niemals an diesen heran. Eben-
so wie Rubens war auch Werner als Diplomat unterwegs. Im
Gegensatz zu dem zurückhaltenden, ruhigen Rubens liebte Wer-
ner imposante Auftritte mit Pauken und Trompeten, weswegen
er es als Diplomat nie weit gebracht hatte.
Die Bilder aus dem Mittelalter waren unser beider Ding nicht
unbedingt, obschon Niklaus Manuel-Deutsch, ein Berner
Maler des Spätmittelalters und einer der ersten, der die Iko-
nographie der damals vorherrschenden Heiligendarstellungen
etwas hinter sich liess, durchaus ein paar interessante Werke
gemacht hat. Aber mir persönlich ist die mittelalterliche Ma-
lerei etwas zu starr, zu statisch. Ab Renaissance bis und mit
Impressionismus, das ist mein Geschmack an Kunst, da war
Leben zu spüren!
Dann kamen wir zur Ausstellung "Mythos und Geheimnis:
Symbolismus in der Schweizer Kunst", die mich, als mythen-
interessierten Menschen, natürlich sehr interessierte. Einige
Bilder des Baslers Arnold Böcklin, darunter auch seine- von
mir ebenfalls oft skizzierte- "Meeresstille" mit der fülligen,
rothaarigen Meerjungfrau:

Während meiner Schulzeit ging unser Lehrer mit uns in's Kunst-
museum, wo wir Bilder des in Bern sehr hoch gehaltenen, von
mir aber nicht besonders geschätzten Paul Klee abmalen sollten.
Später war ich einmal im Kunstmuseum in Basel, wo Schulklas-
sen Böcklins berühmte "Toteninsel" abzeichneten und dachte,
ich wäre, kunsthistorisch betrachtet, wohl im falschen Kanton
aufgewachsen. Aber nur kunsthistorisch! Was Böcklin betrifft,
fällt mir eine Anekdote ein: Als Paul Cezanne Böcklins Bilder
von Kentaurenkämpfen sah, soll er einen Lachanfall gekriegt
und gesagt haben: "Wie kann einer nur etwas malen, was es gar
nicht gibt?" Als hingegen Adolph Menzel, der nicht nur als
Maler, sondern auch als Kunstkritiker fungierte, an eine Cezanne-
Ausstellung eingeladen wurde, sagte er seine Teilnahme ab mit
den Worten: "Wozu soll ich mir verfaultes Obst anschauen?"
Ein Bild des Zürchers Johann Heinrich Füssli war auch dabei.
Füssli war ein bekannter Maler von Shakespeare-Themen, wes-
halb er vorwiegend in England erfolgreich war, wo er sich John
Henry Fuseli nannte. Englisch schien wohl nicht gerade seine
Stärke gewesen zu sein (das ist biographisch sogar verbürgt...).
Und natürlich durfte der berühmteste Symbolist, der in Bern
geboren wurde, nicht fehlen: Ferdinand Hodler. Ich persönlich
finde seine Bilder leider immer irgendwie "flach", obschon er
ein guter Landschaftsmaler war, seine Figurenbilder hingegen...
na ja, manchmal denke ich, er hätte das lieber sein lassen sollen.
Aber das ist ebenso Geschmackssache wie beim Waadtländer
Felix Vallotton, zu dessen Kunst ich auch ein eher ambivalentes
Verhältnis habe. Da steht das Beste neben dem Schlechtesten,
und was davon in welche Kategorie gehört, darüber lässt sich
streiten. Von Vallotton waren auch zwei Bilder vertreten.
Dann kamen wir zu Ernst Kreidolf. Ich muss zugeben, dass mir
dessen Name vorher nichts sagte. Dabei hatte er so wunderbare,
phantasievolle Illustrationen für seine Kinderbücher gemacht.
Der war richtig mit dem Herz dabei, das merkt man beim Be-
trachten. Kindern kann man nicht mit intellektuellen Begrün-
dungen kommen, da muss man etwas mit Herz machen. Meine
Freundin war sehr angetan von seinen Illustrationen.
Wir betraten schliesslich den Raum mit den zur Zeit schönsten
dort ausgestellten Bildern: Albert Anker und ein paar Impres-
sionisten, darunter- Danke!- alle drei sich in Bern befindlichen
Renoirs. Wenn es je einen Maler gab, der mich in Herz und
Seele ansprach, dann war es Pierre-Auguste Renoir. Beim
Anblick des Bildes, auf dem er seine Frau verewigte, wie sie
ihren Sohn stillt, da möchte man beinahe selbst wieder Kind
sein. Er hat dieses Motiv mehrmals gemalt, auch aus der Erin-
nerung heraus, als seine Frau schon längst nicht mehr lebte.
Die Version in Bern ist eine dieser späteren Fassungen.
Meine Freundin zeigte sich von Albert Anker fasziniert, was
ich durchaus verstehe. Ich finde, Anker hat von allen Schweizer
Malern die schönsten Bilder gemacht. Die ersten Bilder, die
ich als Schuljunge sah, die mir gefielen, waren von Albert
Anker. leider wird er oft als "Heimatmaler" betrachtet, er selber
verwehrte sich dagegen. Er war ein sehr religiöser Mensch,
der sich in seinem Werk vorwiegend dem Thema der
Vergänglichkeit widmete, indem er z.B. Jugend und Alter
gegenüberstellte. Dabei malte er, was er in seinem Dorf, in Ins,
vor Augen hatte, er war ein durch und durch zeitgenössischer
Maler. Ich finde, Anker hat sehr viel mehr mit Renoir
gemeinsam als mit Jeremias Gotthelf, dessen Geschichten er
porträtiert hatte, wenn auch etwas widerwillig. Wüsste Anker,
dass ausgerechnet ein Mann wie Christoph Blocher der heute
grösste Anker-Sammler in der Schweiz ist, er würde sich
wahrscheinlich im Grab umdrehen!
Das oberste Stockwerk schaute ich mir alleine an, meine
Freundin hatte bereits genügend Kunst gesehen und war müde.
Ich hatte das Stockwerk ziemlich schnell durch: Picasso, Braque,
Dali und Co. mögen zwar interessante Persönlichkeiten gewesen
sein, treffen aber nicht unbedingt meinen Kunstgeschmack. Ob-
schon: der ganz frühe Picasso hatte doch ein paar recht ansehn-
liche Werke. Mit meinem Vater war ich Jahre zuvor einmal in
einer Picasso-Ausstellung- im Gegensatz zu mir gefällt ihm
Picasso-, und da war ein früher Picasso, eine Frau mit einem
Kind.
"Das würde beim Anschauen niemand für einen Picasso halten",
meinte mein Vater.
"Doch", meinte ich. "Das sieht man auf den ersten Blick."
"Woran siehst du das?"
"An den klobigen Händen."
Später, als Picasso abstrakter malte und seine Werke schon hohe
Preise erzielten, wurde er von einer Besucherin einer seiner
Ausstellungen einmal gefragt: "Meister, was stellt dieses Bild
eigentlich dar?", und er antwortete: "Dieses? 50.000Francs."

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