wurde eine Fahndung ausgeschrieben.
"August?" fragte Philipp, der Monika vermisste.
"Hmm?"
"Werden sie sie finden?"
"Vielleicht. Aber ihr Zustand wird dir wahrscheinlich nicht
besonders gefallen."
"Weisst du, wo sie ist?"
August schaute seinen Zimmerkameraden an. "Wenn, dann
würde ich es dir nicht auf die Nase binden", sagte er schnodd-
rig, dann verliess er das Zimmer. Vom Gang her hörte Philipp
einen Teil eines alten, religiösen Liedes:
"Some bright morning when my life is over
I'll fly away..."
'Was weiss dieser Kerl?' fragte Philipp sich. In dieser Nacht tat
er etwas, was er noch nie getan hatte: Er betete dafür, dass Mo-
nika wieder gefunden werde.
Am nächsten Tag klingelte es an der Stationstüre. Die Ober-
schwester öffnete, und vor der Tür standen zwei uniformierte
Polizisten und hielten ihr ihre Marken vor die Nase,
"Sie liessen nach einer gewissen Frau Monika Neuenschwander
fahnden?" fragte der Aeltere.
"Ja. Haben Sie sie gefunden?"
"Wir haben sie gefunden."
"Gott sei Dank!" atmete die Oberschwester auf.
"Es ist nur...", fuhr der Polizist weiter. "Sie ist tot."
Die Oberschwester wurde bleich. "Tot?" fragte sie. "Was ist
passiert?"
"Eine Ueberdosis Heroin", antwortete der Polizist. "Direkt in
die Pulsader. Wir fanden sie in einer Seitengasse, mit herunter-
gelassener Hose. Der Spurensicherung zufolge wurde sie ge-
schändet, als sie bereits verstorben war."
Die Oberschwester wurde noch bleicher. "Entschuldigen Sie",
machte sie und schloss die Tür.
Die Polizisten blickten einander an. "Was tun wir nun?" fragte
der Jüngere.
"Wir reden mal mit ihrem Psychiater", antwortete der Andere.
"Ein nettes Mädchen", erläuterte Dr. Leu. "Schade, dass sie
süchtig war. Sie war politisch interessiert, las gerne und schrieb
Gedichte. Sie war sehr sensibel, müssen Sie wissen."
"Mit wem wurde sie zuletzt gesehen?" fragte der ältere Polizist.
"Sie ging mit den Herren Gruber und Eggenschwiler in den
Wochenendausgang."
"Hatte sie zu irgendjemandem eine besondere Beziehung?"
"Es schien ein Knistern zwischen ihr und Herrn Eggenschwiler
da zu sein. Ich habe ihn schon einmal wegen zu naher Körper-
kontakte verwarnt. Allerdings hat Herr Eggenschwiler nichts
mit Drogen zu tun."
"Aber er wäre imstande, eine Frau- selbst, wenn diese schon
tot ist- zu schänden?"
"Wie soll ich sagen? Er ist schizophren, da ist alles möglich.
Hinterher erinnert der Patient sich nicht mehr an gewisse Vor-
fälle."
"Können wir mit dem betreffenden Patienten reden?"
"Das sollte einzurichten sein."
"Dort ist er", sagte Dr. Leu, der mit den beiden Polizisten auf
die Abteilung kam, und deutete auf den jungen Mann, der in
einer Ecke des Aufenthaltsraumes sass.
"Herr Eggenschwiler?" fragte der ältere Polizist.
"Ja?" fragte Philipp.
"Dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen? Es geht um den
Todesfall Monika Neuenschwander."
"Todesfall?" fragte Philipp.
Nach dem Verhör war Philipp kaum ansprechbar, zog sich
immer mehr zurück, ass kaum, bewegte sich kaum noch
und weinte dauernd.
"Diese Idioten", grinste August. "Sie haben sich an den
Falschen rangemacht." Dann kehrte er sich um und schlief
ein. Kaum, dass er eingeschlafen war, stand Philipp auf und
zog ein Taschenmesser aus seinem Ruckack. Er trat an Au-
gust heran, atmete tief durch und schnitt ihm die Kehle durch.
"Du hast es gewusst", sagte er dabei. "Du warst es."
Als die Polizei am nächsten Morgen eintraf, sass Philipp mit
gesenktem Kopf auf dem Bett. "Jetzt können Sie mich ein-
sperren", sagte er verbittert. Er leistete keinerlei Widerstand.
Bleibt noch zu berichten, wie die ganze Geschichte ausging.
Philipp musste sich zwar vor Gericht wegen vorsätzlichen
Mordes verantworten, das Gericht liess aber mildernde Um-
stände gelten, nachdem die Wahrheit doch noch ans Tages-
licht kam. Er sass eine Haftstrafe ab und arbeitet heute in
einer Schreinerei. Er muss weiterhin Tabletten nehmen und
zum Psychiater, den er aber, worüber er sehr froh war, wech-
seln konnte. Bisher hat er noch keinen Rückfall erlitten.
Dr. Leu legte sein Mandat an der Klinik nieder und liess sich
in den vorzeitigen Ruhestand versetzen, und eine Mehrheit
der Klinikinsassen wie auch des Personals ist der Meinung,
dass er damit das einzig Richtige tat. Und hier endet die
Geschichte.
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