"Some questions beg for an answer
Like a poet begs for a rhyme"
( Lyle Lovett, "Who Loves You Better")
Was für eine Auswahl! Und dabei handelt es sich "bloss" um die Kandidaten und
Kandidatinnen für den Bernischen Grossen Rat oder Regierungsrat, die Kantons-
regierung. Die werden nämlich am Wochenende gewählt, und dieses Jahr beschloss
ich, dass ich auch wählen gehe. Aber wen? Erstmal sortierte ich alle Parteien aus,
die für mich eh nicht wählbar wären: EVP, SD, SVP und BDP, die ich auch als
"SVP light" bezeichne. Blieben immer noch einige übrig, darunter Parteien, von
denen ich bislang kaum bis gar nicht wusste, dass sie überhaupt existieren. Die
"Grünliberalen" zum Beispiel. Sind die nun mehr grün oder mehr liberal, mehr öko-
logisch oder mehr ökonomisch? Der Wahlflyer half bei der Beantwortung dieser
Frage leider nicht wirklich weiter. Was soll das sein, ein "Grünliberaler"? Jemand,
der ökologisch und wirtschaftlich gleichzeitig denkt? Wäre an sich ja recht positiv
zu bewerten. Aber wer sagt mir, dass dies nicht bloss einer ist, der beim Spargel-
stechen nachfragt, wie teuer der Spaten war? Ich gebe zu, ich bin noch etwas
kritisch dieser neuen Partei gegenüber, die sich da schliesslich mit zwei sehr
hochtrabenden Adjektiven schmückt.
Einfach nur zu wählen, wessen Gesicht mir am sympathischsten ist, das haut nicht
hin. Dann müsste ich nämlich Sandra Schneider wählen, die, in meinen Augen,
schönste Frau, die je auf einem Schweizer Wahlzettel abgebildet war. Dummer-
weise auf einem Wahlzettel der SVP, also für mich aus ideologischen Gründen
nicht wählbar.
Da frage ich mich doch, wie es sein kann, dass eine so junge Frau- sie hat Jahrgang
1991- in einer so konservativen Partei landen kann? Das kommt mir irgendwie
nicht richtig vor. Bin ich etwa schon so alt geworden, dass Menschen, die jünger
sind als ich, viel konservativere Meinungen vertreten?
Nur Kandidaten zu wählen, die ich persönlich kenne, geht leider auch nicht.
Dieses Jahr steht kein persönlicher Bekannter zur Wahl. Zweimal habe ich dies
schon getan, Kandidaten gewählt, die mir persönlich bekannt waren. Beide haben
mich danach masslos enttäuscht. Nicht etwa ihrer politischen Arbeit wegen, da
erwiesen sich beide als sehr gut, sondern durch eine charakterliche Veränderung
zum Schlechteren. Um es mal so auszudrücken: Es scheint, die Politik ist der Lehr-
meister der Arroganz.
Noch schlimmer ist wohl- jedenfalls für den Betroffenen, für den Wähler kann es
ein Vorteil sein-, wenn sich eine solche Veränderung bereits vor der Wahl bemerk-
bar macht. Ein ehemaliger Klassenkamerade, der damals intelligente, zwischen-
menschliche, soziale Ansichten hatte, liess sich einmal als Kandidat für ein politi-
sches Amt aufstellen. Und das ausgerechnet für die SD, die einzige Partei, die
noch stärker rechtsgerichtet politisiert als die SVP! Aus irgendeinem Grund
schien aus ihm ein Rassist geworden zu sein! Womit er für mich natürlich von
vorneherein nicht wählbar war.
Auch die EVP, die Evangelische Verblendungs-Partei kommt für mich nicht in
Frage. Eine christlich-kirchliche, wenn auf reformierte, Partei, deren Ansichten
katholischer sind als jene des Papstes? Nein, danke! Bei den Aussagen von EVP-
Mann Ruedi Löffel, der sich vowiegend als sogenannter "Präventionspolitiker"
aufspielt, habe ich oft das Gefühl, alles, was nicht Weihwasser ist, läuft für ihn
unter "harten Drogen". Das geht selbst einem überzeugten Abstinenzler wie mir
zu weit!
Inzwischen habe ich das Wahlcouvert mit meinen Stimmen abgeschickt. Wie ich
denn nun gewählt habe? Nun, da ich dies freiwillig erzähle, dürfte es keine Ver-
letzung des Wahlgeheimnisses sein, wenn ich so viel verrate: dieses Jahr vorwie-
gend links. Ach ja, ein "Grünliberaler" war auch dabei. Wenn sie sich schon so
nennen, sollen sie schliesslich auch zeigen, was in ihnen steckt...
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