Der Dezember ist wieder die Zeit, da wir uns besinnen, da wir
zurück denken ans alte Jahr und voraus ins neue. Da ist zu-
nächst die Adventszeit, das Warten aufs Christkind, denn Ad-
vent heisst ja so viel wie "Warten", zwischendrin kommt noch
der Nikolaus, dann ist Heilig Abend, Weihnachten- und ehe
wir uns versehen, ist schon wieder Silvester, und wir sitzen
irgendwo, mit einem Glas in der Hand, auf irgend einem Sofa
und warten, bis wir uns endlich zuprosten können.
Letztes Jahr verbrachten meine Verlobte und ich Weihnachten
bei meiner und Silvester bei ihrer Familie, dieses Jahr haben
wir genau umgekehrt geplant. Dies erspart uns jedenfalls die
Suche nach einem alkoholfreien Sekt für den Silvesterabend;
letztes Jahr versuchten wir es, mangels Alternativen, mit einem
alkoholfreien Rosé, der zwar zum Anstossen okay, zum Trinken
aber ungeniessbar war.
Das vergangene, oder besser: vergehende Jahr hielt einiges an
Ueberraschungen in petto, und wie so oft weiss niemand so
richtig, wie es nun weitergehen soll. Das erinnert mich an den
Mann, der seinen Namen in "Niemand" umändern wollte, da er
dann die Macht hätte, das Wetter zu beherrschen, denn: "Nie-
mand beherrscht das Wetter." Dann liess er es aber doch bleiben,
weil ihm aufging, dass "Niemand" auch für alles den Kopf hin-
halten muss, denn: "Niemand war schuld". Odysseus und seine
List dem Zyklopen gegenüber lassen grüssen.
Bei mir herrscht momentan eine gewisse Unsicherheit, gekoppelt
mit einer gewissen Sicherheit, weil ich nun schon wieder etwas
mehr weiss, was bei mir nicht so ganz stimmt (und weswegen ich
ja in der IV-Abklärung bin). Inzwischen konnte ich nämlich den
Bericht der neuropsychologischen Abklärung lesen, demzufolge
meine rechte Hirnhälfte nicht ganz richtig funktioniert, jene, die
für das Mathematische, Rationelle, aber auch für die Koordination
zuständig ist. Die Linke hingegen funktioniert einwandfrei, die-
jenige mit der Kreativität, der Fantasie und der Sprache. Die
Neuropsychologin meint, mein Grad der Eingeschränktheit betreffe
ca. 30%, während mein Job-Coach etwa 50% bezifferte. Da erst
bei einer Eingeschränktheit von 40% die IV sicher zuständig wird,
ist nun alles wieder unsicher. Bis Februar konnte ich unterschrei-
ben, dass ich weiterhin im Rahmen der Abklärung in der Gärtnerei
arbeiten kann, doch auch dies ist nicht mehr zu 100% sicher. Und
ich merke gerade, dass bei so vielen Zahlen und Prozenten meine
rechte Hirnhälfte mitmachen muss, und die ist ja eigentlich kaputt.
So gesehen war das gar kein so blöder Witz, als meine Verlobte
in Deutschland im Restaurant mal rief: "Herr Ober, zahlen!"
und ich entgegnete: "Ich möchte lieber Buchstaben." Und doch
bleibe ich noch kurz bei den Zahlen: Laut neuropsychologischem
Bericht hätte ich einen Gesamt-IQ von 78, also unterdurchschnitt-
lich. im Bereich Sprache allerdings von 100. Nun schlägt die
Neuropsychologin doch tatsächlich vor, ich sollte in den Büro-
bereich wechseln! Hallooo? Büro gleich PC-Arbeit gleich Mathe-
matik gleich ständiges Drinnensitzen? Geht's noch? Wenn es
nur darum ginge, Texte zu schreiben, ginge das ja noch, aber
selbst dafür bringe ich nicht die Voraussetzungen mit; ich kann
kein Zehnfingersystem oder blind tippen, obschon ich es mal
gelernt hätte (aber da war wohl wieder zu viel Koordination
dabei). Am besten werde ich Schriftsteller; aber kennt jemand
einen Verlag, der solche Texte, wie ich sie schreibe, veröffent-
lichen würde?
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