Dienstag, 1. November 2016

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 1.11.2016

Inktober day 6
“Full Moon”
Bild: "Full Moon" von Ray-Norr

"Wird nicht lange dauern, Mr. Rees."
"Oh, das kenn ich. Zu Thomas More hat man das wahr-
scheinlich auch gesagt, als er aufs Schafott stieg."
"Worauf er antwortete: 'Helft mir rauf. Runter brauch ich
keine Hilfe mehr."
(Martha Grimes; "Inspektor Jury spielt Domino")

Gestern war Halloween, das Fest der Geister und Gespenster.
Der Abend, an dem als Gruselgestalten verkleidete Kinder
von Tür zu Tür gehen und um Süssigkeiten betteln.
Viele denken, Halloween wäre aus Amerika zu uns rüber-
gekommen wie Coca-Cola, Mickey Mouse und Wasch-
bären, aber das stimmt nur bedingt. Die Art und Weise, wie
Halloween heute gefeiert wird, mit Kinderkostümen und
Kürbisköpfen, mag wohl amerikanisch sein, aber der Ur-
sprung des Fests ist europäisch. Die Kelten sollen ein
Fest namens "Samhain" gefeiert haben, an dem sie ihren
Ahnen, ihren Vorfahren, ihren Verstorbenen gedachten;
und als die Christianisierung Europa überrollte, konnte
sie dieser Ahnenverehrung nicht gänzlich Einhalt gebie-
ten, konnte sie aber in für die christliche Kirche vertret-
bare Bahnen lenken, und so entstand der heutige Feier-
tag Allerheiligen, der allerdings nur noch in katholischen
Gebieten gefeiert wird.
Im Laufe der Zeit wurde der Tod immer mehr als Grusel-
gestalt betrachtet, mit Angst und Schrecken verbunden-
was vielleicht auch damit zusammen hing, dass der früher
verbreitete Glaube an die Wiedergeburt seltener wurde.
An ihre Stelle trat die von der Kirche propagierte Version
mit Himmel und Hölle, Schuld und Sühne, Belohnung
und Bestrafung. Sogar im Halloween-Brauch des "Trick
or Treat", des "Süsses oder Saures", spiegelt sich diese
Philosophie. Sowieso wäre Halloween, wie wir es
heute kennen, ohne das Christentum gar nicht möglich,
denn allein schon der Name "Halloween" bezieht sich
auf den nachfolgenden christlichen Feiertag. "Hallo-
ween" ist nämlich eine Verballhornung, eine Kurzform
für "All Hallow's Eve", also "Abend vor Allerheiligen".
Somit wären auch all diejenigen, oft sehr frommen
Christen, widerlegt, die Halloween als "heidnisches
Fest" ablehnen. Wie heisst es doch so schön: Man soll
die Feste feiern, wie sie fallen. Wer fragt denn schon
noch danach, woher sie eigentlich kommen?

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