August und Monika sassen zusammen in Monikas Zimmer.
"Hast du gekriegt, um was ich dich gebeten habe?" fragte
sie ihn. Er reichte ihr eine kleine Plastiktüte mit weissem
Pulver drin.
"Bist du bereit, dein Versprechen einzulösen?" fragte er.
"Kann ich den Stoff erst ausprobieren?"
"Und danach bläst du mir einen...?"
"Wenn der Stoff gut ist..."
"Mein Stoff ist immer gut."
Sie nahm eine Prise davon auf den Handrücken und zog
sich das Zeug durch die Nase hinauf. Etwas passierte mit
ihr, ihr Blick veränderte sich. "Ich sehe Farben und Sterne",
stöhnte sie.
"Ich hab's geahnt", knurrte August. "Jetzt bist du schon zu
weggetreten, um mir noch richtig einen blasen zu können."
Singend verliess er das Zimmer, er sang einen Teil von
"Tulsa Time", immer denselben, wo es heisst:
"There I was in Hollywood
Wishin' I was doin' good
Talkin' on the telephone line..."
Weiter wusste er den Text nicht, also fing er immer wieder
denselben Teil von vorne an zu singen, mit kräftiger und
rauher Stimme. Er betrat sein eigenes Zimmer, das heisst,
es war ja gar nicht mehr nur sein Zimmer, er musste es sich
mit diesem Typen aus dem Emmental teilen, diesem Philipp
Eggenschwiler, diesem Schizo, dem er nichts verkaufen
konnte. Philipp war nicht da, er hatte eine Sitzung mit Dr. Leu,
aber das kam August gerade recht. Er setzte sich auf sein Bett,
nahm eine Spritze aus seinen Sachen, zog sie auf und setzte
sich einen Schuss.
"Und wie geht es mit Ihrem neuen Zimmergenossen?" fragte
Dr. Leu.
"Wie konnten Sie so einen Menschen zu mir ins Zimmer legen?"
fragte Philipp zurück.
"Haben Sie Probleme mit ihm?"
"Der Kerl ist 'n Junkie, schlimmer, er ist 'n Dealer. Wegen ihm
müssen Menschen sterben!"
"Ich weiss sehr wohl, wer und was Herr Gruber ist", machte
der Doktor leicht genervt, "aber ich hatte meine Gründe, ihn
zu Ihnen ins Zimmer zu legen."
"Möchte wissen, was für welche."
"Zuallererst geht es nun darum, dass Sie Anschluss in der
Gruppe finden, und Herr Gruber kennt den Betrieb, er ist
nicht zum ersten Mal bei uns. Er kennt die Leute, und ich bin
sicher, dass Sie von ihm- so seltsam, das auch klingen mag-
profitieren können."
"Indem ich anfange, Drogen zu nehmen?"
"Nein, um Gottes Willen, nur das nicht! Es würde Ihnen gar
nicht gut bekommen, allein schon von der Krankheit her.
Ausserdem stehen Sie unter Medikamentenbehandlung. Lei-
der gibt es zur Zeit noch keine andere Möglichkeit, einer
Schizophrenie beizukommen. Man kann höchstens die An-
zeichen bekämpfen, heilbar ist die Krankheit noch nicht."
"Schöne Aussichten", seufzte Philipp. "Aber da ist noch was."
"Bitte?"
"Der Kerl onaniert jede Nacht, und wenn er endlich einge-
schlafen ist, dann schnarcht er."
"Nun", meinte Dr. Leu, "was das Onanieren angeht, da müssen
Sie ihm halt sagen, er soll das sein lassen. Und an das Schnar-
chen werden Sie sich schon noch gewöhnen."
Die Therapiesitzung war zu Ende, und Philipp ging auf die Ab-
teilung zurück. Als er das Zimmer betrat, traf er August
schwitzend auf dem Bett liegend an, die Spritze lag neben dem
Bett am Boden.
"Ach, du Scheisse!" entfuhr es Philipp, und er schüttelte seinen
Zimmergenossen. "Was hast du getan, du Idiot? Wach auf, ver-
flixt nochmal!"
August öffnete schwach die Augen. "Ich spaziere gerade auf
dem Mond", stöhnte er. "Bist du der Mann im Mond?"
Philipp liess ihn liegen, verliess das Zimmer, ging zum Fern-
seher, hob diesen auf und warf ihn, mit aller Kraft, durchs ge-
schlossene Fenster. Da spürte er hinter sich einen Stich und
fiel zu Boden. Er hörte gerade noch, wie ein Pfleger zu einer
Schwester sagte: "Wie lange wird das Mittel anhalten?"
"Etwa eine halbe Stunde", antwortete diese, was Philipp aber
nicht mehr mitbekam.
"Legen wir ihn aufs Bett", meinte der Pfleger.
Als Philipp erwachte, konnte er sich nicht mehr an diesen
Vorfall erinnern.
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