Die Jungen aus der Philosophieklasse standen auf
dem Campus rum und warteten, dass die Stunde
anfing.
"Du brauchst dich gar nicht so aufzuführen, weil
du Elsa gepimpert hast", meinte einer zu Char-
lie. "Ich hab' sie nämlich auch gepimpert. Und
mich mag sie eher als dich!"
Charlie wurde wütend. "Erzähl das nochmal! Du
hast meine Freundin gepimpert?"
"Wieso deine? Bald schon ist es meine!"
Sie begannen, sich zu prügeln.
"Jungs, hört doch auf", versuchte ein Dritter, sie
zu beschwichtigen. "Die treibt's doch mit jedem.
Merkt ihr das denn nicht?"
Aber die beiden Streithähne hörten ihn nicht.
"Achtung, sie kommt!" schrie einer.
Tatsächlich, Elsa kam die Treppe zum Unigelände
hoch. Ihr blaues Auge war nicht zu übersehen.
Sie gesellte sich zu den Jungs. Charlie und sein
Rivale waren immer noch am Kämpfen.
"Was ist denn los?" fragte Elsa.
"Sie streiten sich um dich", erklärte der Junge, der
vorhin zu schlichten versucht hatte. "Wo hast du
denn dieses Veilchen her?"
"Gegen eine Tür gerannt", log Elsa.
"Wen von uns liebst du, Elsa?" fragte Charlie, mit-
ten im Gefecht und keuchend. "Mich doch, oder?"
"Nein, mich!" schrie der Andere.
"Ihr seid Idioten", sagte Elsa und ging. Die beiden
Jungs hörten auf zu kämpfen und schauten ihr nach.
"Dieser Arsch bringt mich noch ins Grab", meinte
Charlie.
"Meinst du ihren oder mich?"
"Ihren, du Arsch!"
"Weisst du was, Charlie?"
"Was?"
"Wir sind Idioten."
Sie lachten und nichts deutete darauf hin, dass sie
sich soeben noch in den Haaren gelegen hatten.
Professor Meister beendete die Stunde mit der Auf-
gabe, einen Text von René Descartes zu lesen.
"Frau von Tavel, würden Sie bitte noch kurz zu mir
kommen?" fragte er, als alle dem Ausgang zustreb-
ten. Elsa kam zum Lehrerpult. Sie schritt in ihrem
verführerischsten Gang daher, und als sie angekom-
men war, warf sie sich in Pose.
"Haben Sie es sich überlegt?" fragte sie und schenkte
ihm ein Lächeln.
"Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen", begann der
Professor. "Mir scheint, Sie brauchen Hilfe."
"Wie meinen Sie das?"
"Sie haben schon fast alle Studenten an dieser Uni
verführt", erklärte der Professor. "Ich glaube, Sie sind
nymphoman."
"Genau das bin ich." Sie versuchte, ihre Stimme sexy
klingen zu lassen. Sie blickte ihm in die Augen. Aber
ihre Augen- das waren nicht mehr dieselben Augen,
mit denen sie ihn am ersten Tag des Studiums angese-
hen hatte. Eine Veränderung war festzustellen, eine
Veränderung der Pupillen.
"Wie lange nehmen sie dieses Zeug schon?" fragte er.
"Welches Zeug?"
"Die Droge. Ich tippe auf Kokain."
"Ich nehme kein..."
Wütend unterbrach er sie: "Erzählen Sie mir nichts!
In all den Jahren, die ich schon unterrichte, habe ich
genug Student gesehen, die in die Drogen abrutsch-
ten! Das sehe ich mit blossem Auge! Also, wie lan-
ge schon?"
"Eine Woche."
"Eine Woche?" Er schaute sie durchdringend an. Sie
hatte sich noch nie so klein gefühlt.
"Also gut", gab sie leise zu. "Fünf Wochen."
"Sie brauchen dringen Hilfe. Ich kenne einen Psychia-
ter, der Ihnen helfen kann."
"Ich will zu keinem Psychiater!" schrie Elsa. "Ich bin
doch nicht verrückt!"
"Niemand behauptet das", entgegnete er. "Aber wenn
Sie so weiter machen, machen Sie sich selber kaputt.
Ist es das, was Sie wollen?" Und nach einer kurzen
Pause: "Denken Sie drüber nach. Und dann geben Sie
mir Bescheid."
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