Brigitte Wunderlich war eine schöne Frau mit langem, blondem
Haar und einer Aufmachung, die durchaus sexy wirkte. Sie trug
ein ärmelloses Oberteil, das ihre Kurven betonte und sprach mit
einer leicht rauchigen Stimme.
"Ich möchte, dass Sie für mich einen Mann beschatten",
begann sie.
"Verdächtigen Sie Ihren Mann der Untreue?" fragte ich.
"Ich bin nicht verheiratet", sagte sie. "Es geht mir darum,
meine Schwester Claudia vor einem dummen Fehler zu
bewahren."
"Sie möchten also wissen, ob der Liebhaber Ihrer Schwe-
ster Dreck am Stecken hat?"
"Wenn Sie es so ausdrücken wollen, Herr Torso..."
"Wenn es der Wahrheit entspricht, will ich das. Ich bräuch-
te aber mehr Anhaltspunkte."
"Der Mann heisst Florian Schütz", sagte sie und legte eine
Fotografie auf den Tisch. Sie zeigte einen dunkelhaarigen
Mann mit vollen Lippen und einem Grübchen am Kinn.
"Wessen verdächtigen Sie ihn?" fragte ich.
"Ich weiss es nicht mal so genau", meinte sie. "Niemand
weiss, was und ob er überhaupt arbeitet, und doch scheint
er immer genügend Geld zu haben..."
"Verstehe", murmelte ich. "Ich bräuchte auch noch eine
Beschreibung Ihrer Schwester."
Erneut reichte sie mir ein Foto. Claudia Wunderlich war
eine ebenso schöne Frau wie Brigitte, nur in brünett.
"Wissen Sie, wo sich Ihre Schwester oder dieser Herr
Schütz öfters aufhalten?" fragte ich.
"Meine Schwester liebt den Bärenpark", antwortete sie.
"Dann werde ich dort mit meiner Suche beginnen",
meinte ich.
Die Bären waren in ihrem Gehege am Rumtrotten, als ich
einen Ranger ausmachte, den ich ansprechen konnte. Ich
zeigte ihm beide Fotos.
"War von denen kürzlich jemand hier?" fragte ich.
Der Ranger meinte: "Die Frau habe ich vorhin noch gese-
hen."
"Vielen Dank", sagte ich und steckte die Bilder wieder ein.
Ich bummelte ein wenig der Anlage entlang, da sah ich sie
auch. Claudia Wunderlich. Ganz ihre Schwester, nur in brü-
nett. Da ich nur für Observationen angeheuert war, folgte
ich ihr in sicherem Abstand. Sie benutzte die Treppe und
traf sich an der Aare mit Florian Schütz. Sie küssten sich
und schlenderten händchenhaltend weiter. Ihr Weg führte
sie an der Mahogany Hall vorbei zur Bushaltestelle, wo
sie in den nächsten Bus einstiegen. Ich schaffte es noch
knapp, diesen auch zu erwischen. Sie fuhren am Bahnhof
vorbei und stiegen an der Schanzenstrasse aus. Ihr Weg
führte sie zur Schanzenpost. Ich wartete vor der Post, bis
sie wieder raus kamen. Als sie raus kamen, trug Schütz
ein Paket mit sich. Er küsste seine Freundin, und die bei-
den trennten sich. Da ich auf Schütz angesetzt war, folgte
ich ihm. Er nahm die Treppe zum Campus der Universi-
tät, der sogenannten Grossen Schanze. Dort sprach er ei-
nen pickligen Jungen an und übergab diesem das Paket.
Der Junge reichte ihm im Gegenzug einen Umschlag und,
nach einem Händedruck, zogen beide wieder ihre eigenen
Wege. Unauffällig folgte ich Schütz weiter, bis er mich zu
einem Hochhaus in Bethlehem führte, in das er verschwand.
Ein Blick auf die Briefkästen verriet mir, dass er hier wohn-
te. Ich rechnete nicht damit, dass er noch mal rauskommen
würde und ging ebenfalls nach hause.
Die nächsten Tage legte ich mich bereits frühmorgens vor
dem Hochhaus in Bethlehem auf die Lauer. Damit Schütz
nicht gleich bemerkte, dass er beobachtet wurde, wechsel-
te ich täglich meine Aufmachung. Einmal war ich wie ein
Strassenarbeiter angezogen, ein andermal wie ein Geschäfts-
mann, dann wiederum wie ein Jogger... Claudia war so ein
oder zweimal bei ihm, ansonsten wiederholte sich tagtäg-
lich dieselbe Geschichte: Er ging zur Schanzenpost, holte
ein Päckchen ab, brachte dies zu dem pickligen Jungen auf
der Grossen Schanze und erhielt von diesem einen Um-
schlag. Ich beschloss, ihm zuvorzukommen. Doch dazu
brauchte ich Hilfe von Jemandem, der sich auf Betrug ver-
stand. Also kontaktierte ich meinen alten Kollegen Moritz
Loeb.
Da ich wusste, in welcher Zeitspanne Schütz jeweils zur
Post ging, gelang es mir, vor ihm dort zu sein.
"Ich soll ein Paket für Schütz abholen", sagte ich zu der
Schalterbeamtin.
"Können Sie sich ausweisen?" fragte diese.
Ich zückte den gefälschten Ausweis, den Moritz für mich
hergestellt hatte, einen Ausweis auf den Namen Florian
Schütz, aber mit meinem Foto. Sie ging kurz weg und
kam bald darauf mit dem Paket zurück. Ich setzte mich
damit kurz in die nahe McDonald's-Filiale und wagte
einen Blick hinein. Dann informierte ich die Polizei.
Die Jungs von der Polizei waren schnell vor Ort, so dass
sie Schütz festnehmen konnten, als er gerade die Post be-
treten wollte. Wachtmeister Glauser, der den Einsatz lei-
tete, war ein unscheibarer Typ mit einem Mittelscheitel,
der seine Hose zu weit oben trug. Obschon er wusste,
dass ich das Paket auf illegale Art erhalten hatte, zeigte
er sich zufrieden.
"Marihuana", stellte er fest, als er in das Paket schaute. "Wir
sind schon länger hinter einem Drogenkartell her, das könn-
te damit zusammen hängen. Das Paket kam aus Huttwil, das
werden wir überprüfen."
Nachdem wir auch noch den Jungen hochnehmen konnten,
der das Gras auf der Schanze an die Studenten verkaufte,
sah Glausers Gesicht aus, als ob er soeben die schönste
Erektion seines Lebens gehabt hätte. Ich liess ihn mit sei-
nen Traumvorstellungen allein und informierte meine Klien-
tin. Wie diese ihrer Schwester alles erklären würde, das ging
mich glücklicherweise nichts mehr an...
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