Freitag, 22. Mai 2020

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 22.5.2020

Eine Geschichte braucht einen Protagonisten und- wenn es sich
um eine Spannungsgeschichte handelt, beispielsweise einen
Krimi oder einen Thriller, auch einen Antagonisten, oder wie
man es bei den Comics nennt: einen Helden und einen Schur-
ken. Gerade bei den Superheldencomics gilt die Weisheit, dass
der Held nur so interessant ist, wie die Schurken, die er be-
kämpft. Heute möchte ich mir einmal ein paar Gedanken über
die bekanntesten Held-Schurke-Beziehungen machen.
15 Things Loki Can Do (That Thor Can't) | ScreenRant
Was wir heute vor allem durch Comics kennen, fand ihren Ur-
sprung schon lange bevor es Comics gab, man denke nur an
die mythologischen Figuren Thor und Loki. Lange, bevor
Stan Lee und Jack Kirby den Stoff für ihre Comics aufgegrif-
fen hatten, waren diese wichtige Bestandteile der nordischen
Mythenwelt. Allerdings sehen wir hier sehr genau, dass den
alten Wikinger Mut und Kraft mehr bedeuteten als List und
Klugheit- der grobschlächtige Thor war stets der strahlende
Held, während der durchtriebene Loki der Bösewicht war.
Wobei Loki eigentlich eine ambivalente Figur war, er konn-
te sowohl Gegner als auch Verbündeter des Helden sein, erst
spätere Interpretationen machten ihn zum Bösewicht, wie wir
ihn uns heute vorstellen. List und Taktik schienen den alten
Nordmännern eher suspekt zu sein, und dies drückte sich sehr
stark in der Figur des Loki aus.

Mit der Aufklärung erhielten Verstand und Logik einen viel hö-
heren Stellenwert, und nun kam es gelegentlich zu intellektuel-
lem Kräftemessen zwischen Ptotagonist und Antagonist. Bestes
Beispiel hierfür sind Sherlock Holmes und Professor Moriar-
ty. Beide arbeiteten mit Verstand und Methode und waren sich
dabei ebenbürtig. Moriarty war ein Abbild, was aus Holmes ge-
worden wäre, hätte er sich anders entschieden und Verbrecher
geworden.

Mit Superman und Lex Luthor fiel die Geschichte wieder ins
alte Schema des starken, strahlenden Helden und des hinterlisti-
gen Ränkeschmieds zurück. Die Beweggründe waren aber ande-
re. Loki wollte Macht, Luthor handelte ursprünglich aus Angst
vor den übermenschlichen Kräften des Kryptoniers. Wichtiger
Antrieb bei beiden Schurkengestalten, Loki und Luthor, war aber
auch Neid auf den jeweiligen Helden, ein Motiv, wie es klassi-
scher nicht sein könnte; schliesslich erzählte schon die alttesta-
mentarische Geschichte von Kain und Abel davon.

Kommen wir zu den wahrscheinlich unterschiedlichsten Gegen-
spielern: Batman und der Joker. Der Joker ist nicht Batmans
einziger Gegenspieler, aber er gilt allgemein als sein Erzfeind.
Und er ist- unter den zahlreichen interessanten Bösewichten in
Batmans Schurken-Galerie- der beliebteste. Batman und der
Joker sind wie Tag und Nacht, und genau so ist auch das Kon-
zept dieser Konstellation. Batman ist ein düsterer, dunkler Held,
der verbissen kämpft und selten lacht, der Joker hingegen sieht
die ganze Welt als einzigen grossen Witz, der allerdings in vie-
len Fällen tödlich endet. Batman ist rational, der Joker hinge-
gen ist völlig anarchisch und will vor allem eines: Chaos anrich-
ten.

Wie sehr die Amerikaner sich selbst als heldenhaft betrachten,
das zeigten nicht nur die Farben der Kostüme von Superman
und Wonder Woman, das zeigten auch besonders die Geschich-
ten um Captain America und Red Skull. Die ersten Captain
America-Geschichten entstanden während des 2. Weltkriegs,
und so war Caps Erzfein ein Agent der Nazis, der mit einem
roten Totenschädel dargestellt wurde, während Captain Ame-
rica als strahlender attraktiver Kämpfer auftrat. Das Konzept,
dass der Schurke hässlich oder verunstaltet ist, wurde gerade
in den Comics sehr oft aufgegriffen. Natürlich handelt es sich
um ein Klischée, aber man schien dabei vor allem auf den ho-
hen Wiedererkennungswert zu zählen- der Leser, so scheint
man sich gedacht zu haben, will nicht erst raten müssen, wer
der Gute und wer der Böse ist.

Andere Zeiten brauchten nicht nur andere Helden, sondern auch
andere Schurken. Iron Man und der Mandarin waren Aus-
druck der Angst vor dem Kommunismus, vielleicht der Haupt-
grund, warum die Rolle des Mandarins für den dritten Iron Man-
Film stark- und sehr zum Unmut der Fans- verändert wurde.
Der Mandarin, wie ihn Lee und Kirby ursprünglich kreiiert hat-
ten, ist heute nicht mehr zeitgemäss.

So wurden auch viele weitere Held-Schurke-Beziehungen für
Filmversionen leicht verändert, manchmal zum Guten, manch-
mal zum Schlechteren. Ultron bspw. war in den Comics eine
Erfindung von Hank Pym. in den Filmen von Tony Stark, und
die Motive von Thanos wurden für die Filme etwas verändert,
wahrscheinlich damit auch die weniger comic-affinen Zuschauer
einigermassen der Story folgen können. Excalibur!


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