Sonntag, 9. Februar 2020
"Rock'n'Roll und Rokoko", Kapitel 2
Was bisher geschah: Die englische Rock'n'Roll-
Band "The Fragonards", die in Rokokokleidung
auftritt, tourt durch die Schweiz und erhält Droh-
briefe. Der Manager der Band, Steve Merlin,
beauftragt in Bern den Privatdetektiven Roman
Torso damit, ein Auge auf die Musiker zu haben.
Wir fuhren mit dem Tourbus zum Wankdorf, wo
das Konzert stattfand. Die Musiker waren kaum
wieder zu,erkennen, so normal gekleidet waren
sie, als wir hinfuhren. ohne Perücken und Rokoko-
schnörkel. Jiggle hatte rotbraunes Haar, Ronald war
brünett und Brian blond. Nur Kenny sah aus wie im-
mer, abgesehen von den normaleren Kleidern. Mer-
lin, der ebenfalls mitfuhr, war weiterhin in Weiss ge-
kleidet. Er meinte, die Jungs würden sich erst in der
Garderobe umziehen, um ihren Groupies nicht zu
sehr aufzufallen. Sozusagen inkognito. Andy fuhr,
wie nicht anders zu erwarten, den Bus. An der
Wand im Tourbus hing ein Foto von einer attrakti-
ven Rothaarigen, die eine Zigarette rauchte.
"Wer ist das?" fragte ich.
"Marianne Treuherz", antwortete Merlin. "Sie war
ein Groupie, hatte erst mit Mike, danach mit Ken-
ny etwas Ernsthafteres. Kurz danach verstarb sie
an einer Ueberdosis Kokain. Das war vor drei
Jahren, als die Band letztes Mal in der Schweiz
war."
"Und Sie haben das Bild zur Erinnerung hängen
lassen?" fragte ich.
"Es war Andys Idee", antwortete er. "Er meinte,
die Jungs sollten sich mit Erinnerungen an ihre
Bandgeschichte umgeben."
"We both loved her", sprach Mike, als er gemerkt
hatte, worüber wir redeten.
"Ich würde gerne die Drohbriefe sehen", sagte ich.
"Ich habe sie dabei", sagte Merlin, griff in seine
Tasche und überreichte mir zwei Papiere. Beide
waren mit ausgeschnittenen und aufgeklebten
Zeitungsbuchstaben verfasst. Auf dem ersten
Brief stand "Beware", auf dem zweiten "Tomor-
row".
"Sehr kryptisch", murmelte ich. "Welcher wurde
wann abgegeben?"
"Dieser hier", Merlin zeigte auf den "Tomorrow"-
Brief, "ist jener von hier."
"Wann wurde der abgeliefert?"
"Gestern abend."
"Also bezieht sich der Brief auf heute", meinte ich.
Nachdem eine Vorband dem Publikum eingeheizt
hatte, boten die Fragonards eine fulminante Show,
die keine Wünsche offen liess. Jedenfalls bis zur
Pause. Während dieser ging Mike an die frische
Luft, um, wie er sagte, etwas runterzukommen.
Die anderen Bandmitglieder erklärten mir, dass Mike
in der Pause gerne einen Joint rauchte. Als es darum
ging, alle wieder zusammen zu trommeln, um den
zweiten Teil der Show anzugehen, wollten Merlin
und ich Mike holen. Wir fanden ihn vor dem Künst-
lereingang. Er lag vor der Tür, in sich zusammenge-
sackt, das Gesicht war schwarz verfärbt wie dasjeni-
ge eines Schornsteinfegers. Der Joint, oder was da-
von noch übrig war, lag neben ihm auf dem Boden.
Ich kniete mich zu ihm hin und fühlte seinen Puls.
"Er ist tot", sagte ich. "Ich fürchte, ich muss die Po-
lizei rufen. Geben Sie den Anderen Bescheid."
"J..ja", stammelte Merlin und wollte gerade reinge-
hen, da kam der Veranstalter raus, um zu sehen, wo
wir blieben.
"Oh mein Gott!" rief er, als er die Lage erkannt hatte.
"Ich fürchte, das Konzert kann nicht mehr weiter ge-
hen", sagte ich. "Die Polizei müsste bald hier sein.
Bis dahin darf niemand rein oder raus."
Der Veranstalter raufte sich die Haare. "Wie soll ich
so viele Leute denn bis dahin hierbehalten? Unter
diesen Umständen?"
"Lassen Sie die Vorband nochmal ran", meinte ich.
Etwas Besseres fiel mir auch nicht ein.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen