Sonntag, 21. Juni 2020

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 21.6.2020

GothamCentralCVR20.PNG
(Zeichnung von Michael Lark)

Bei DC Comics läuft zurzeit das serienübergreifende Crossover-
Event "Das Jahr des Schurken", was heisst, dass einige der
bekannten DC-Schurkenfiguren wohl mal etwas genauer unter
die Lupe genommen werden. Für mich als Comicfan Grund ge-
nug, dieses Jahr mal einige der bekanntesten Schurken aus Co-
mic, Film und Literatur zu analysieren. Klar, das ist eine völlig
subjektive Analyse und keineswegs wissenschaftlich, aber es
könnte durchaus interessant sein. Diesmal möchte ich mich mit
einem von Batmans kuriosesten Gegnern befassen: dem Mad
Hatter. Verantwortlich für diese Figur, die dem Verrückten
Hutmacher aus Lewis Carrols "Alice im Wunderland" nach-
empfunden ist, waren Bob Kane, Bill Finger und Lew Sayre
Schwartz, und sein erster Auftritt war 1948.
Was Jervis Tetch beruflich machte, bevor er kriminell wurde,
ist nicht genau bekannt, es ist aber zu bezweifeln, dass er
wirklich Hutmacher war. Er ist von Hüten besessen, die er
mit technischen Gimmicks ausstattet, welche hypnotisch auf
andere Menschen wirken- mit Hilfe seiner Hüte beherrscht
der Mad Hatter Gedankenkontrolle. Ausserdem hat er eine
umfangreiche Hutsammlung, doch eine Kopfbedeckung fehlt
ihm in dieser nach wie vor: die Kapuze von Batman. Das
klingt bislang eher nach einem etwas lächerlichen Schurken,
der wohl kaum eine ernste Bedrohung darstellt. Weit gefehlt!
Der Mad Hatter hat nämlich einen sehr instabilen Geisteszu-
stand, man weiss nie genau, wie er gerade tickt. Es gibt Zei-
ten, da hält er sich tatsächlich für den Hutmacher aus Carrols
Buch, ausserdem hat er eine Vorliebe für junge Mädchen, in
denen er "seine Alice" sieht. Er ist kleingewachsen- kleiner
noch als der Pinguin, der andere Zylinderträger aus Batmans
Gegnerreihen, und auch wenn er intellektuell nicht an diesen
heranreicht, so sollte man den Hatter doch nicht unterschätzen.
In seinen psychisch am stärksten umnachteten Momenten
spricht er in Rätseln und Zitaten aus Carrols Werk, in anderen
Zeiten ist er wiederum von erstaunlich klarem Verstand. Sei-
ner stetig wechselnden Verfassung wegen ist er ein sehr unzu-
verlässiger Verbündeter, der selten und eher schlecht mit ande-
ren Schurken zusammen arbeitet. Zwar ist der Hatter selten
bis nie gewalttätig, sein Geisteszustand macht ihn aber auch
so schon ziemlich unberechenbar.
Dass eine Figur wie der Mad Hatter, die sich auf ein Werk
der Weltliteratur bezieht, überhaupt funktionieren kann,
liegt daran, dass es sich bei "Alice im Wunderland" um ei-
nes der berühmtesten Bücher überhaupt handelt- im eng-
lischsprachigen Raum kennt das Werk so ziemlich Jeder,
es gehört dort quasi zur Allgemeinbildung. Der Mad Hatter,
wie ihn Kane und Finger darstellten, erinnert aber auch an
eine andere, noch ältere literarische Figur: an Miguel de Cer-
vantes Don Quijote. Tatsächlich ist der Mad Hatter eine ty-
pische Don Quijote-Figur: ein Mensch, der sich für jemand
Anderen hält. Und ebenso wie Don Quijote ist er eine ziem-
lich humoristische Figur, die- im Gegensatz zu anderen Bat-
man-Schurken- seinen humoristischen Part nie verloren hat.
Ohne diesen würde der Mad Hatter wahrscheinlich gar nicht
funktionieren- und dann müsste der wohl schrägste unter Bat-
mans klassischen Feinden leider seinen Hut nehmen; und das
wäre doch sehr schade, gehören doch viele Mad Hatter-Stories
zu den amüsantesten Batman-Geschichten überhaupt.



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