Sonntag, 4. August 2024
Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 4.8.2024
"Wir brauchen die Natur, jetzt mehr denn je." (Harrison Ford) Dieses Zitat des bekannten Schauspielers stammt vom September 2018, und seine Gültigkeit hat sich seither sogar noch erhöht. Es ist nur einige Jahre her, da sah ich am See, an den ich öfters gehe und der in einem Naturschutzgebiet liegt, noch Reiherenten, Moorenten und Gänsesäger, nebst den dort allgegenwärtigen Stockenten und Blässhühnern. Dieses Jahr war ich erfreut, wenigstens einen Haubentaucher gesehen zu haben, von denen es in früheren Jahren auch mehr hatte. Und nicht nur Vögel sind weniger geworden, das sogenannte Insektensterben ist schon lange ein Thema- da sich viele Vögel von Insekten ernähren, hat das sogar einen Zusammenhang. Eine Studie hat den Zustand der Biodiversität in den Ländern Europas untersucht und ausgerechnet die Schweiz, deren Bewohner so stolz auf ihre Naturwunder sind, landete auf dem letzten Platz! Okay, dachte ich erst, als ich dies hörte, wir sind ein kleines Land, flächenmässig nicht mit Deutschland, Frankreich oder Italien zu vergleichen, aber diesen Gedanken musste ich gleich revidieren, als ich hörte, welches Land auf Platz 1 gelandet ist: Luxemburg! Luxemburg, auch ein kleines Land, sonst aber eher bekannt für Banken, Steuerfluchten und Briefkastenfirmen, ist das Vorzeigeland Europas, was Biodiversität angeht!?! Und die Schweiz ist das Schlussliccht...! Dass wir einen Artenschwund haben, der Anlass zur Sorge ist, das ist wohl allen bekannt... dachte ich zumindest. Aber nun, da im Herbst eine Initiative an die Urne kommt, bei der es genau darum geht, da zeigt sich, dass unsere Landwirte das anders sehen... Ausgerechnet jener Berufsstand, von dem es heisst, diese Leute leben noch mit der Natur. Klar, auf dem Land sieht man mehr Tiere und Pflanzen als in der Stadt, aber ich fürchte, dass da noch etwas anderes dahinter steckt: Angst. Die Initiative möchte, dass ein bestimmter Teil der landwirtschaftlichen Fläche der Biodiversität zur Verfügung gestellt wird, also möglichst natürlich belassen wird. Dies heisst aber, dass weniger Ackerfläche zur Verfügung steht, was wiederum weniger Ertrag gleich weniger Geld bedeutet. Einige Landwirte machen nun der Bevölkerung Angst, würde die Initiative angenommen, würden Nahrungsmittel knapp... eine Begründung, die in der Dritten Welt, wo Hungersnöte herrschen und kaum Ressourcen vorhanden sind, Sinn machen würde, in der Überflussgesellschaft der Schweiz aber eher weniger- für einen Äthiopier müsste eine solche Begründung aus der reichen Schweiz doch wie blanker Hohn klingen, wie eine Frechheit sondergleichen...! Dass unsere Landwirte um ihre Erträge und Einträge fürchten, das kann ich durchaus verstehen, ich will diesen Berufsstand nicht schlecht machen, ich weiss, wie wichtig diese hart arbeitenden Menschen für unsere Gesellschaft, gerade was die Nahrung betrifft, sind. Aber dass sie behaupten, die Biodiversität in der Schweiz wäre intakt und sogar eine Studie in Auftrag geben, um dies zu belegen, während mehrere Studien das Gegenteil erhärten, das finde ich dann doch etwas starken Tobak. Dabei wird u.a. erwähnt, neu hinzu gekommene Arten wären von diesen Studien gar nicht erfasst worden. Aber was denn für neu hinzu gekommene Arten? Neophyten und Neozooten? Pflanzen und Tiere, die bei uns nicht heimisch sind und unsere einheimische Flora und Fauna bedrängen? Das können die doch nicht ernst meinen, oder? Vor Jahrzehnten wurden in unseren Gewässern aus gastronomischen Gründen Edelkrebse ausgesetzt, inzwischen haben wir das Problem, dass diese unsere einheimischen Flusskrebse bedrängen, die deshalb nun vom Aussterben bedroht sind...! Man kann nicht einfach eine für unser Ökosystem wichtige Art durch eine in ein anderes Ökosystem gehörende Art ersetzen. Wenn die gebietsfremde Art stärker ist und durch unsere Raubtiere nicht als Beute erkannt wird, da sie ihnen schlichtweg unbekannt ist, kommt es zu einer Überpopulation, durch die das einheimische Tier seltener wird... eine Überlegung, die man aber nicht auf den Menschen übertragen darf, auch wenn das die gerade bei den Landwirten beliebte Schweizerische Volkspartei oft macht. Apropos SVP: Albert Rösti, Mitglied dieser Partei und derzeitiger Umweltminister, macht die Situation noch schlimmer. Er will nicht nur, dass Wölfe auch präventiv- also bevor sie Nutztiere gerissen haben- geschossen werden dürfen, er will auch den Biber und den Steinbock wieder zum Abschuss frei geben- bei allen drei Arten handelt es sich um geschützte Tiere, die auf der Roten Liste stehen! Das ist alles andere als der Biodiversität förderlich...! Dass die SVP nicht besonders fortschrittlich denkt, ist ja bekannt, aber dieser Mann scheint in einem Gestern zu leben, das schon vor 200 Jahren vorbei gewesen wäre! Aber noch ist nicht Herbst, noch sind keine Abstimmungsbüchlein über die Biodiversitäts-Initiative in den Briefkästen gelandet, noch kann und will ich nicht jedes Dafür und Dagegen kommentieren- dazu müsste ich mir erst noch viel mehr Gedanken über beide Seiten machen-, das Einzige, was ich meine Leser bitten kann und möchte, ist, egal von welcher Seite Broschüren ins Haus flattern, zwischen den Zeilen zu lesen und zu versuchen, die wahren, oft versteckten Absichten zu erkennen...
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