
Fenna, die ein weiss-rot gesteiftes T-Shirt trug, das ihre Kurven betonte, bot
Martin von ihren Süssigkeiten an. Im Gegenzug lud er sie zu einem Getränk
ins Bahnhof-Cafe ein. Durch dessen Fensterscheiben bemerkten sie plötzlich,
dass die Züge der Regionalbahn alle still standen. Die Passagiere wurden auf-
gefordert, den Fernverkehr zu benutzen und in der nächsten Haltestelle umzu-
steigen. Für Martin war dies kein Verkehr, er wohnte in Stadtnähe, aber was
war mit Fenna, die vom Land kam? Sie traten zu einem Bahnmitarbeiter und
fragten nach ihrer Verbindung nach Biberkinden.
"Mit dem Schnellzug bis Moosikofen und dann dort umsteigen", meinte der.
"Was ist denn passiert?" fragte Martin.
"Eine Fahrleitungsstörung", antwortete der Bahnmitarbeiter. "Zwischen hier
und Steinlaufen läuft nichts mehr."
Fenna und Martin befolgten den Rat des Mannes und stiegen in den Zug nach
Moosikofen. Unterwegs kamen sie auf ihre Sternzeichen zu sprechen. Er war
Jungfrau, sie Löwe.
"Ich bin ein ungewöhnlicher Löwe, obschon ich auch im Aszendenten Löwe
bin", meinte sie. "Löwen sind doch sonst ziemliche Actiontypen, ich bin eher
ruhig."
"Befiehlst du manchmal andere Leute rum?" fragte er.
"Ich bin meistens diejenige, die von den Anderen rumkommandiert wird",
klagte sie.
"Okay, das ist löwenuntypisch. Aber irgendwelche Löweneigenschaften
hast sicher auch du. Isst du gerne?"
"Klar. Oder was denkst du, wo diese Kurven alle herkommen?"
"Das ist löwentypisch. Ausserdem bist du sehr attraktiv, auch das ist löwen-
typisch."
"Attraktiv? Ich oder meine Kurven?"
"Das eine wie das andere. Das Gesamtkunstwerk."
"Gesamtkunstwerk. So was hat mir noch selten jemand gesagt."
"Eine Frau ist doch viel schöner, wenn sie auch richtige, weibliche Formen
hat. Es gibt doch nichts nervigeres als dünne Tussies, die bloss in Salattellern
stochern, weil sie Angst um ihre Linie haben. Lieber eine, mit der man auch
mal eine Pizze essen gehen und Spass haben kann."
Sie hielt die Hand auf ihren üppigen Busen, atmete tief durch und strahlte.
"Sterben müssen wir sowieso, da können wir auch satt und glücklich sterben",
meinte sie und liess ein glockenhelles Lachen hören.
"Schon nach unserer ersten Begegnung", nahm Martin den Faden auf, "wünschte
ich mir, dieses Lachen wieder zu hören. Bis jetzt hättest du bei mir nur Plus-
punkte."
Sie blickte auf seine schlanke, hochgewachsene Gestalt und meinte: "Du hättest
bei mir auch ein paar. Nur bin ich in nächster Zeit leider schon ziemlich ausge-
lastet."
Inzwischen war der Zug in Moosikofen eingetroffen, und sie stiegen um. Die
nächste Station wäre Martins gewesen. Doch er blieb sitzen.
"Hättest du nicht aussteigen müssen?" fragte Fenna.
"Ich fahre bis zur nächsten und spaziere zurück", erklärte er. "Ich mochte noch
nicht aussteigen. Wo ich schon mal so charmante Begleitung habe."
Sie drehte den Kopf ein Stück, um zu verbergen, dass sie rot wurde, was aber
nicht funktionierte. Dann fuhr der Zug in die nächste Station ein.
"Leider muss ich nun doch raus", meinte er. "Mein Bahnabo gilt nicht weiter
als bis hier."
Sie verabschiedeten sich mit Küsschen auf die Wange.
"Danke", sagte er.
"Danke auch", sagte sie.
Er stieg aus, und als der Zug weiterfuhr, winkten sie einander noch zu. Er
wollte sich gerade auf den Weg machen, da bemerkte er, dass ihm seine
Tasche fehlte. Was nun? War sie etwa bei Fenna im Zug liegengeblieben?
Falls ja, würde sie sich deswegen bei ihm melden? Er hatte ihr damals
seine Nummer zustecken lassen, doch er selber wusste von ihr nicht mehr
als den Vornamen. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, wo seine
Tasche abgeblieben sein könnte. Nach einem kurzen Telefonat wusste er
es, und am nächsten Tag ging er sie im Bahnhof-Cafe abholen.
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