Sonntag, 22. Juni 2014

Kurzgeschichte: Die Mädchen am Dorfplatz


Am Dorfplatz von Mieschweyerbühl sassen drei Mädchen. Zwei
Schlanke, eine davon blond, die andere schwarzhaarig und mit
asiatischem Einklang. Und eine sehr hübsche Mollige mit schul-
terlangem braunem Haar und sinnlichen Lippen. Und diese war
aufs bitterlichste am Weinen.
"Ich mache immer alles falsch..."
"Wer sagt das?"
"Alle sagen das..."
Ein Mann, der die Szene gesehen hatte, trat hinzu und hielt ihr
eine Packung Papiertaschentücher hin. Zuerst lehnte sie ab, aber
dann nahm sie doch eines heraus.
"Schau, er will dir helfen", meinte die Blonde. "Es sind also doch
nicht alle Menschen schlecht."
"Hat sie einer verarscht?" fragte der Mann in die Runde.
"Alle verarschen mich", weinte die Mollige.
"Das Gefühl kenn' ich", meinte der Mann und setzte sich zu ihr.
"Kann man gegen Eltern, die ihre Kinder schlagen, nicht Anzeige
erstatten?" fragte die Blonde in die Runde.
"Könnte man", antwortete der Mann. "Wirst du von deinen Eltern
geschlagen?" fragte er die Mollige.
"Nein", weinte sie. "Nichts machen."
"Lass dich doch nicht runtermachen", sprach die Blonde weiter zu
der Molligen, "nur weil du Rundungen hast."
"Was, deswegen wirst du runtergemacht?" fragte der Mann.
Ihre Antwort war ein schüchternes Nicken.
"Soll ich dir was sagen?" machte der Mann. "Es ist doch viel schöner,
wenn eine Frau Rundungen hat."
"So denken viele", warf die Blonde ein. "Nur sollte jetzt eigentlich ich
mir runtergemacht vorkommen."
Nun lächelte die Mollige sogar ein bisschen. "Habe ich Sie nicht schon
einmal gesehen?" fragte sie den Mann.
"Wahrscheinlich mehr als einmal", lachte er. "Schliesslich wohne ich
auch in diesem Kaff." Er überreichte ihr seine Visitenkarte. "Falls du
mal jemanden zum Reden brauchst", erklärte er. "Keine Angst, das
ist keine Anmache. Dafür wärst du mir doch noch etwas zu jung."
"Ich bin 17."
"Eben, ich bin 31."
"Ja, das ist wirklich schon etwas zu alt."
"Ich bin nicht immer gleich erreichbar, aber ich rufe zurück. Ver-
sprechen kann ich nur eines: Garantiert verarschungsfrei. Nur
einen Gefallen könntet ihr mir alle drei tun..."
"Welchen?" fragten sie.
"Nennt mich 'du', ich mag es nicht besonders, wenn man mich siezt."
Mit diesen Worten verabschiedete er sich, und als er ging, diskutier-
ten die drei Mädchen noch lange darüber, was sie von dieser ganzen
Geschichte halten sollten.

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