Als dieser Fall zur Zufriedenheit aller abgeschlossen war, rechnete ich na-
türlich nicht damit, Betsy Towers eines Tages wiederzusehen. Ich irrte mich
gewaltig. Schon vierzehn Tage darauf erhielt ich einen Anruf von Karin
Trotzer, jener Kollegin, der ich die Stelle bei der Towers verschafft hatte.
"Roman?" hörte ich ihre liebliche Stimme, die sehr nervös klang. "Du musst
unbedingt kommen. Hier ist ein Mord geschehen."
"Was denn? Ein Mord? Wer?"
"Merck. Ein Kopfschuss. Mit Betsys Revolver."
"War die Polizei schon da?"
"Sie haben überall Abdrücke genommen und uns eingebleut, die Ortschaft
nicht zu verlassen. Ich glaube, sie verdächtigen Betsy. Aber die kann doch
keinen Mord begangen haben, oder?"
"Glaube ich auch nicht. Ist sie da?"
"Sie steht neben mir. Willst du mit ihr sprechen?"
"Wenn sie in der Lage dazu ist..."
"Oh, sie scheint es ziemlich easy wegzustecken. Jedenfalls besser als ich. Ihr
Appettit hat kein Deut nachgelassen, und sie ist sofort wieder zum Tagesge-
schäft übergegangen."
"Roman?" erklang nun Betsy Towers' Stimme, wie gewöhnlich schmatzend.
"Ich möchte, dass Sie für mich Untersuchungen anstellen."
Ihre geschäftsmännische Tüchtigkeit überraschte mich.
"Eigentlich wollte ich heute schwimmen gehen", seufzte ich. "Aber ich werde
kommen."
"Packen Sie die Badehose ein", meinte sie. "Ich habe schliesslich einen
Swimmingpool."
Entweder überspielte sie ihre Gefühle, oder sie war wirklich so abgehärtet.
Ich packte meine Badehose jedenfalls ein, und als ich ankam, war es Karin,
welche mir die Türe öffnete. Karin war mittelgross, brünett und rundlich,
mit grossen, sehr grossen Titten und einem Spitzbubengesicht. Sie naschte
genau so gern wie sie kochte, wenn sie auch niemals an Betsy Towers heran-
reichte.
"James hat sich hingelegt", erklärte sie. "Merck war für ihn mehr als nur ein
Geschäftsmann, er war ihm fast wie ein Bruder. Das hat ihn ziemlich mitge-
nommen."
"Und Betsy?"
"Ihre Beziehung zu Merck war rein geschäftlich und nicht immer frei von
Streitigkeiten. Nun, da Merck tot ist, liegen die Geschäfte wieder in ihren
Händen. Rein vom Menschlichen her vermisst sie ihn nicht."
"Sie profitiert also von Mercks Tod. Für die Polizei ist sie somit Hauptver-
dächtige."
"Nur dank ihrem Anwalt sitzt sie nicht in Untersuchungshaft. Aber was die
Geschäfte betrifft: Sie ist froh, wenn sie diese jemandem übergeben kann.
Sie selber will damit möglichst wenig zu tun haben. Alles, was sie will, ist
rumsitzen und sich den Wanst vollschlagen."
"Wo ist sie nun?"
"Sie wartet beim Swimmingpool. Im Bikini! Ich schäme mich mit meiner
Figur schon, in so einem knappen Teil rumzulaufen."
Ich lächelte sie an. "Ich würde dich gerne mal in so einem knappen Teil rum-
laufen sehen", machte ich.
"Ich muss zurück in die Küche, sonst brät mir noch was an", sagte sie. "Ge-
gessen wird es zwar dennoch, aber trotzdem... Sie isst alles, Hauptsache, es
ist essbar."
Mit diesen Worten liess Karin mich stehen und flüchtete in Richtung Küche,
während ich mich auf den Weg zum Swimmingpool machte. Betsy Towers
wartete tatsächlich schon im Bikini auf mich. Es war nicht zu übersehen, dass
sie in der Zwischenzeit weiter zugenommen hatte. Der Bikini sass noch enger
und ihr Bauch hing ihr inzwischen schon bis zu den Knien runter. Sie schleck-
te an einem Soft-Ice.
"Roman", begrüsste sie mich. "Haben Sie Ihre Badesachen dabei?"
"Ja, hab' ich.
"Dann kommen Sie", meinte sie. "Steigen wir ins kühle Nass."
Sie stieg die Stufen der Swimmingpoolleiter hinunter, von denen ich befürch-
tete, sie würden unter ihrem Gewicht nachgeben. Tatsächlich verbogen sie
sich etwas, aber es war nicht so, dass Betsy ins Wasser gefallen wäre. Im
Pool selber war nur sehr wenig Wasser, gerade so, dass Betsy noch stehen
konnte.
"Warum ist nicht mehr Wasser im Pool?" fragte ich.
"Schwimmen ist gefährlich für mich", erklärte sie. "Man muss nach dem
Essen mindestens eine Stunde warten, bevor man schwimmen geht. Stellen
Sie sich vor: Eine Stunde ohne Essen! Da würde ich ja verhungern!"
"Aber jetzt schwimmen wir doch eine Runde", meinte ich. "Bei diesem
Wasserstand kann ja nichts passieren."
Wir begannen zu schwimmen, obschon der niedrige Wasserstand etwas kri-
tisch für meine langen Beine war. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte die
Knie aufgeschürft. Auch für Betsy war der Wasserstand kritisch, beim
Schwimmen hing ihr Bauch ihr beinahe bis zum Bassinboden hinab.
Nachdem wir auch die Strecke zurück geschwommen waren, meinte sie: "Das
kühle Wasser hat gut getan. Aber das Schwimmen hat mich hungrig gemacht."
Sie stieg die Stufen wieder hinauf, die sich noch mehr verbogen. Ihr Bauch
streifte die Poolleiter. Ich bemerkte, wie riesig ihr Hintern war und kriegte
eine Erektion, die ich in meiner Badehose kaum verbergen konnte, als ich den
Pool verliess."
"Oh, Roman!" meinte Betsy. "Ich wusste von Anfang an, dass ich Ihnen
gefalle!"
Sie drückte ihren fetten Körper an mich. Ich räusperte mich.
"Sollten wir nicht besser über den Fall reden?" brachte ich etwas mühselig
hervor. Sie liess von mir ab.
"Na gut", antwortete sie.
"Wo wurde die Leiche gefunden?" fragte ich.
"In seinem Schlafzimmer. Er lag auf dem Bett und schlief."
"Haben Sie ihn selber dort gesehen?"
"Nein. Das Schlafzimmer ist im oberen Stockwerk. Dieses kann ich nicht
mehr betreten, seit ich 198kg überschritten habe. Die Holztreppe hält das
nicht mehr aus."
Ich atmete tief durch. Nun hatte ich Gewissheit, dass dieses Mädchen doch
tatsächlich mindestens 200kg auf die Waage bringen musste!
"Führen Sie mich zur Treppe", gebot ich. "Ich möchte mich dort oben mal
umsehen."
Sie brachte mich zur Treppe, in deren unterster Stufe ein Loch war.
"Daher weiss ich, dass mich die Treppe nicht mehr aushält", sagte sie und
schmunzelte. Es schien ihr egal zu sein. Mehr noch, es schien sie sogar zu
amüsieren.
"Und die Mordwaffe war Ihr Revolver?"
"Die Polizei hat ihn mir gezeigt. Ja, es war mein Revolver."
"Wo bewahren Sie diesen normalerweise auf?"
"In der obersten Schublade meines Nachttischs."
"Wer weiss alles davon?"
"Alle. James und Merck wussten es beide. Es war sogar Mercks Idee,
dass ich mir eine Waffe zulegen sollte. Für den eventuellen Notfall,
sagte er."
"Den er sich sicher nicht so vorgestellt hatte. Wo befindet sich Mercks
Schlafzimmer?"
"Wenn nichts verändert wurde, die zweite Türe links. Ich kann nichts
auf sicher sagen, ich war fast zwei Jahre nicht oben. Sie sehen ja wa-
rum..."
Wieder schmunzelte sie. Ich rechnete zwei Jahre plus ihren übermässi-
gen Appettit und kam zu dem Schluss, dass sie die 200kg sicher schon
längst überschritten hatte. Ich atmete noch tiefer durch.
"Hören Sie", machte sie, "brauchen Sie mich hier noch? Ich bin am
Verhungern!"
"Nur eine Frage noch: Wer leitet die Untersuchung?"
"Ein Inspektor Leuenberger von der Gstaader Polizei."
"Kann ich nachher bei Ihnen dessen Telefonnummer abholen?"
"Das war schon die zweite Frage", tadelte sie. "Aber ja, das können
Sie. Ich schreib' sie Ihnen raus."
"Danke", machte ich fachmännisch. "Das wäre dann vorläufig alles."
Sie walzte davon und ich begab mich nach oben. Meine 75kg sind
schliesslich kein Problem für eine Treppe. Ich untersuchte Mercks
Schlafzimmer, fand aber nichts, das mir von Belang zu sein schien.
Dann beschloss ich, auch noch sein Büro zu untersuchen. Den Weg
dorthin wusste ich noch. Ich fand ein kleines, in einen schwarzen
Ledereinband gehülltes Notizbüchlein. Auf dessen erster Seite stan-
den die Initialen I.P., R.S., P.R. und P.S., sowie die dazugehörigen
Natelnummern. Ich packte das Büchlein zur Sicherheit mal ein.
Dann begab ich mich dorthin, wo ich mit der grössten Möglichkeit
Betsy antreffen würde: in die Küche. Ich hatte recht, sie war dort,
beschäftigt mit einem grossen Marmorkuchen, während Karin dane-
ben Tortellini kochte.
"Haben Sie das hier schon mal gesehen?" fragte ich Betsy und zeigte
ihr das Buch. Sie nahm es zu sich und öffnete es-
"Nein", antwortete sie, als sie es mir zurückgab.
"Es befand sich in Mercks Büroschublade. Kennen Sie die Initialen?
Zu wem könnten sie gehören?"
"Darf ich nochmal sehen?"
Sie besah sich die Initialen und schüttelte mehrmals den Kopf.
"P.R. könnte Patrick Rothen sein, unser Fabrikführer. Die anderen
Buchstaben sagen mir nichts. Glauben Sie, das könnte etwas bedeu-
ten?"
"Ich weiss es noch nicht", antwortete ich. "Darf ich das Buch mit-
nehmen?"
"Sicher doch", antwortete sie. "Tun Sie alles, was in Ihrer Macht
steht, um diesen Fall aufzuklären."
Ich packte das Büchlein ein. Immerhin hatte ich nun einen vagen
Anhaltspunkt, wo ich mit meinen Recherchen beginnen könnte.
Aber zuvor wollte ich mit Inspektor Leuenberger von der Gstaader
Polizei reden.
Fortsetzung folgt...
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