Mittwoch, 4. September 2019
Kurzgeschichte: "Die Zeit der Apokalypse"
(Bild: "Raven" von Forty-Fathoms)
Dr. Saba Salomon sah erstaunlich jung aus, als sie im Fern-
sehstudio Platz nahm. Sie hatte dunkles Haar, das sie in ei-
nem Pagenschnitt trug, eine schlanke Figur und ein hüb-
sches Gesicht. Und diese Frau sollte eine der renommierte-
sten Psychologinnen sein, deren Spezialgebiet die Erfor-
schung von Gewalt war. Dr. Destiny, der ebenfalls an die-
ser Talkrunde teilnahm, hätte eine bedeutend ältere Person
erwartet. Vielleicht lag es aber auch an seinem eigenen Al-
ter, dass ihm sein Gegenüber so jung vorkam. Obschon sie
ein durchaus sympathisches Gesich hatte, fühlte Destiny
sich in ihrer Anwesenheit unwohl. Da konnte auch die eben-
so attraktive wie kompetente Talkmasterin nichts daran än-
dern. Destiny war sehr erleichtert, als die Talkrunde zu Ende
war.
Vor dem Fernsehstudio wurde Destiny von seiner Assistentin
Joy Sweater erwartet. Während der Aufzeichnung war diese
im Publikum gesessen, doch nun trafen sie sich vor dem Stu-
diogebäude. Kaum, dass sie sich begrüsst hatten, trat Dr. Sa-
lomon, die gerade aus dem Gebäude trat, zu ihnen.
"Das war ein gutes Gespräch", sprach sie Destiny an. "Beson-
ders der Teil, in dem es darum ging, wie viel Einfluss der
Okkultismis auf die Gewaltbereitschaft hat."
Sie ging weiter. Destiny blickte seine Assistentin an, die zu
frieren schien.
"Frieren Sie etwa?" fragte er sie.
"Ja", antwortete sie. "Immer, wenn diese Frau in der Nähe ist."
Joy fror normalerweise nie, ausser es waren Geister, Vampire
oder Dämonen in der Nähe. Destiny machte sich Sorgen...
Zuhause in Destiny Mansion, dem alten Herrenhaus in Green-
wich Valley, holte Destiny ein dickes, altes Buch aus dem Re-
gal und begann darin zu blättern.
"Der Name der Psychologin hätte mich stutzig machen sollen",
resümierte er. "Er bezieht sich auf die Geschichte von Salo-
mon und der Königin von Saba. Einige glauben, die Königin
wäre nicht ganz menschlich, andere wiederum halten die Kö-
nigin und die Hexe von Endor für ein und dieselbe Person.
Wenn wir es mit einer dämonischen Erscheinung zu tun haben,
dann muss sie irgendeinen biblischen Bezug haben. Ich denke,
ich sollte Dr. Salomon mal einen Besuch in ihrer Praxis abstat-
ten."
Am nächsten Morgen stand Destiny tatsächlich in Dr. Salomons
Vorzimmer und fragte, ob die Frau Doktor zu sprechen wäre. Da
ihr erster Patient absagen musste- er war nach einer Prügelei im
Spital gelandet- wurde Destiny sofort eingelassen.
"Dr. Destiny", begrüsste ihn die Psychologin. "Was führt Sie zu
mir?"
"Meine Sorgen und Ihre Theorien", antwortete Destiny wahrheits-
gemäss. "Einerseits scheinen Sie Gewalt eher zu verherrlichen als
zu verteufeln. Andererseits haben sowohl ich als auch meine Assi-
stentin eine dämonische Präsenz bei Ihnen verspürt."
Dr. Salomon lachte auf. "Ach, kommen Sie!" machte sie. "Eine dä-
monische Präsenz! Wie soll sich die denn zeigen?"
"Lassen Sie mich bitte ausreden", bat Destiny. "Wir spürten also
eine dämonische Präsenz. Dämonen sind an Namen gebunden, und
da Ihr Name- Saba Salomon- sich auf biblische Persönlichkeiten
bezieht, muss es sich um einen Dämon aus biblischer Zeit han-
deln. Und bei meinen Nachforschungen fand ich nur zwei solch
mächtige Dämoninnen: meine alte Feindin Lilith und eine Dämo-
nin namens..." Hier machte er eine Kunstpause.
"Ja, und...?" fragte Dr. Salomon, deren Hände leicht zu zittern be-
gannen.
"Apocalyptica!" rief Destiny laut.
Kaum hatte er diesen Namen ausgesprochen, ging mit Dr. Salomon
eine Veränderung vor. Ein grelles Leuchten umgab sie und plötz-
lich war sie körperlich verändert. Ihre Haut war bleicher, und sie
trug eine Art Umhang, der fast aussah, als hätte sie Fledermaus-
schwingen, als sie im Raum zu schweben begann.
"Hast du also rausgefunden", meinte sie mit nun veränderter, viel
kälter klingenden Stimme. "Aber du kannst es nicht mehr aufhal-
ten. Die ganze Gewalt, für die ich mit meinen Thesen und mei-
nen Therapien gesorgt habe, sie wird sie einleiten: die Zeit der
Apokalypse!"
"Ich weigere mich, den Glauben an das Gute im Menschen auf-
zugeben", meinte Destiny. "Und dich schicke ich zurück in das
Höllenreich, aus dem du gekommen bist!"
Und er begann, lateinische Zaubersprüche aufzusagen, er startete
einen Exorzismus, und Apocalyptica wehrte sich vehement dage-
gen. Es war ein harter Kampf, aber schlussendlich schaffte Desti-
ny es, die Dämonin zu verbannen. Erschöpft atmete er erstmal
durch und blickte sich im Büro der vermeintlichen Psychologin
um. Er entdeckte ein Foto einer ihm bekannten Person.
"Meine berühmteste Patientin" stand unter dem Foto. Es zeigte
die berühmte Bühnenzauberin Abra Cadabra, die durch einen
Pakt mit einer Dämonin echte Zauberkräfte erhalten hatte. Nun
wusste Destiny endlich, welche Dämonin das gewesen war.
Und er wusste, auch wenn er Apocalyptica für diesmal bannen
konnte, sie würde wieder kommen. Zuvor aber stand er vor dem
schwierigsten Teil seiner Aufgaben: die Menschheit wieder da-
zu zu bringen, Frieden zu halten und freundlich zu sein. Er wür-
de viel Ueberzeugungsarbeit leisten müssen...
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