Sonntag, 23. September 2012
Kurzgeschichte: Duell im Wilden Westen
Niemand wusste, woher er kam, wie er hiess oder was er
wollte. Plötzlich war er einfach da, als wäre er aus dem
Nichts aufgetaucht.
"Fremder", stellte sich ihm der Sheriff in den Weg, "wer
bist du und was willst du hier?"
"Das Gleiche frage ich dich", erwiderte der Unbekannte
und nannte den Sheriff beim Namen, "Pat Murphy."
"Kennen wir uns?" fragte dieser.
"Dein Gedächtnis wird wohl langsam alt, Murphy. 1867,
Tombstone. Der Banküberfall mit der Rochester- Bande."
"Tom Johnson!" entfuhr es Pat Murphy, dem Sheriff.
"So, du bist nun also Sheriff in diesem Kuhkaff, sieh an,
sieh an." Johnsons Stimme klang höhnisch.
"Was willst du, Johnson?" fragte Murphy.
"Meinen Anteil von damals", erwiderte dieser. "Die Ande-
ren sind alle tot. Aber bevor ich sie umgelegt habe, konnten
sie mir zumindest noch erzählen, dass du damals die Beute
versteckt hast."
"Ich habe dem Verbrechen schon vor vielen Jahren abge-
schworen", sagte Murphy.
"Um so besser. Dann kannst du auf deinen Anteil ja gut ver-
zichten."
"Das Problem ist, dass ich nicht mehr weiss, wo ich die Beute
versteckt habe. Das alles liegt schon so lange zurück."
Mit den Worten "Ich werde sie schon ohne dich finden, und
wenn ich von hier bis Arizona jeden Kaktus einzeln umdrehen
muss" zückte Johnson seinen Revolver und gab einen gezielten
Schuss gegen Murphy ab, der daraufhin zu Boden fiel.
Im nächsten Augenblick fiel auch Johnson, von einem zweiten
Schuss getroffen, zu Boden. Der Schütze war ein etwa 13-jähri-
ger, rothaariger Junge.
"Niemand legt sich ungestraft mit meinem Daddy an!" knurrte
dieser.
Da kam eine hochgewachsene, kurvige Frau hinzugerannt.
"Oh, Gott, Jonah!" schrie sie. "Was ist denn bloss passiert?"
Sie überblickte die Situation, strich ihrem Sohn über den Kopf
und sagte: "Lass uns die Truhe öffnen, die Daddy so sorgsam
unter der Kellertreppe verwahrt hat. Er sagte stets, wenn ihm
etwas zustossen würde, wäre dort drin unsere Chance auf ein
neues Leben."
Und sie liess ihren Tränen freien Lauf, während der Junge noch
immer, wie er es sich von einem richtigen Westmann vorstellte,
grimmig dreinblickte.
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