Freitag, 25. Januar 2013

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 25.1.2013


Wie jedes Jahr, so wurde auch letztes Jahr am 11.11. um 11 Uhr 11 die Fas-
nacht eingeläutet. Und am Aschermittwoch dieses Jahr geht sie zu Ende.
Dabei geht die eigentliche Fasnacht, wie wir sie heute kennen, an der sich
die Menschen kostümieren und musizieren ( sofern man diese Musik über-
haupt Musik nennen kann ), an denen die "Narren" sich rumtreiben, in den
meisten Ortschaften nur gerade ein bis drei Tage. Und die finden innerhalb"
dieses Zeitraumes statt. In einer kleinen Schweizer Gemeinde hat kürzlich
die erste Fasnacht hierzulande bereits stattgefunden, leider ist mir der Name
des Ortes entfallen. Und andere Ortschaften folgen schon bald. Dabei ist
sicher die Basler Fasnacht die bekannteste, was wohl auch mit den so be-
liebten "Schnitzelbänken" zusammenhängt ( oder "Schnitzelbängg", wie
der Basler sagt ). Dabei handelt es sich um kurze, humoristische Reime
oder Couplets, welche aktuelle Themen auf die Schippe nehmen und von
kostümierten Interpreten vorgetragen werden. Begleitend dazu werden
Zeichnungen zum jeweiligen Thema gezeigt. Von der Basler Fasnacht
wird denn auch jedes Jahr eine Zusammenfassung im Schweizer Fernsehen
gezeigt, und zweifellos sind die "Schnitzelbängg" der beliebteste Teil dieser
Sendung. Eine Auswahl der gelungensten "Schnitzelbängg" wird sogar je-
des Jahr schweizweit in der Presse präsentiert, sobald die Basler Fasnacht
vorbei ist. Einige andere Städte haben die Tradition der "Schnitzelbängg"
zwar inzwischen abgekupfert, doch werden diese stets etwas speziell Bas-
lerisches bleiben. Die Basler Fasnacht dauert drei Tage, die, wie der Bas-
ler sagt, drei "scheenschte Dääg". Auch wenn die Basler die wohl ange-
fressensten Fasnächtler der Schweiz sind, gibt es doch auch Basler die
dem ganzen, lärmigen Rummel nicht viel abgewinnen können. Verwandte
von mir aus Basel meinten sogar, sie wären froh, zu dieser Zeit ausser-
halb der Stadt zu sein.
Als älteste Fasnacht der Schweiz gilt die Berner Fasnacht. Zumindest be-
haupten das die Berner. Allerdings führt die Berner Fasnacht eher ein
Schattendasein. Nachdem sie lange vergessen war, wurde sie erst in jün-
gerer Zeit wieder in's Leben gerufen. Die Berner Fasnacht beginnt am
11.11 jeweils mit der sogenannten "Bärenbefreiung". Da wird ein als
Bär verkleideter Mensch in den Käfigturm beim Berner Bärenplatz, dem
Marktplatz von Bern, gesperrt, in einen Turm, der seinen Namen dadurch
erhielt, dass er früher ein Gefängnis war. Und dieser als Bär verkleidete
Mensch wird dann vom Berner Volk befreit. Erstaunlich, dass sie noch
nie ihren Stadtpräsidenten Alexander Tschäppätt in den Turm gesperrt
haben, der auch ein bisschen was von einem Bären hat. Ueberhaupt sagt
man den Berner nach, sie wären so ein bisschen wie Bären: langsam,
gemütlich, ruhig...aber nur, solange sie nicht gereizt werden! Ein Bär,
der gereizt wird, ist gefährlich, und das trifft auch auf einen typischen
Berner mit seinem charakteristischen sturen Kopf, dem "Bärner Gring",
zu. Während der Berner Fasnacht wird auch jedes Jahr der sogenannte
"Bäredräck"-Preis verliehen, der an eine Person des öffentlichen Le-
bens der Stadt Bern geht, die sich durch besonders viel Humor hervor-
getan hat. Meistens handelt es sich dabei um irgend einen Politiker.
Alexander Tschäppätt ist bereits mehrfacher "Bäredräck"-Preisträger.
Möglicherweise geht der Preis manchmal automatisch an ihn, wenn
kein anderer Kandidat fest steht. Ich persönlich würde für den dies-
jährigen "Bäredräck"-Preis die Politikerin Sabina Geissbühler vor-
schlagen, die es schaffte, sich gegen ein neues Schulmodell einzu-
setzen, bei dem die Schüler den Stundenplan selber bestimmen und
von ihren Ratskollegen darauf aufmerksam gemacht werden musste,
dass es sich bei dem Text, in dem dieses Modell vorgestellt wurde,
nicht um eine Nachricht, sondern um Satire handelte. Würde Frau
Geissbühler diesen Preis annehmen, würden wir nämlich gleich noch
herausfinden, ob sie ihren Mangel an humoristischem Verständnis
mit Humor nehmen kann. Sofern sie überhaupt den Sinn dieser
Preisverleihung begriffen hat... Etwas Aehnliches wie den "Bäre-
dräck"-Preis gibt es übrigens auch in Deutschland. Dort ist es der
"Orden wider den tierischen Ernst", und auch der geht meistens an
einen Politiker. Ansonsten sind die Deutschen während der Fas-
nacht spezialisiert darin, aufkommende Komiker zu entdecken.
Genau so wie auch in der Schweiz scheint die Grenze zwischen
diesen beiden Berufsgattungen manchmal sogar eher fliessend zu
verlaufen... Uebrigens gibt es wohl kein Volk, das so viele ver-
schiedene Fasnacht-Veranstaltungen per Television überträgt,
wie die Deutschen. "Kölle Alaaf" und "Mainz, wie es singt und
lacht" sind dabei nur die zwei bekanntesten Sendungen. Wäh-
rend der Fasnachtzeit kann man kaum durch deutsche Fernseh-
programme zappen, ohne nicht irgendwo auf eine Fasnachts-
übertragung zu stossen.
Dabei sind die Fasnächte der Schweiz und Deutschland noch gar
nichts gegen die Karnevals in Rio oder Venedig oder den berühm-
ten "Mardi gras" in New Orleans. Diese kennen zwar keine
Schnitzelbänke und Büttenreden, aber dafür prachtvolle Umzü-
ge- und sie können feiern!
Dabei war die Fasnacht eigentlich gar keine Feier, zumindest
nicht im herkömmlichen Sinn. Denn eigentlich würde es "Fast-
nacht" heissen und bezeichnet die Fastenzeit. Da kriegt auch
der alte Spruch "Lieber Ganztag als Fastnacht" erst einen Sinn.
Irgendwann wurde Fasten immer unpopulärer, die Kirche ver-
lor an Macht, und aus der Fastnacht wurde die Fasnacht, ein
grosses Fest, das sich mit teilweise heidnischen Ritualen ver-
band, so z.B. der Vertreibung des Winters durch laute und
absichtlich falsch klingende Musik, welche in der Schweiz
"Guggenmusik" genannt wird. Und jedes Jahr gelingt es mir
nicht, diesen Guggenmusiken zu entkommen...dennoch, lie-
ber an drei Tagen etwas falsche Musik als von November
bis März fasten zu müssen. Helau!

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