Montag, 7. Januar 2013

Kurzgeschichte: Die dicke Stripperin

Die dicke Frau sass an der Bar und trank einen Martini. Sie
hatte braunes Haar, dass sie in einer Art "Kleopatra"-
Frisur trug und einen kleinen Leberfleck auf der linken Wange.
Ihr Mund war mit rotem Lippenstift verziert. Obschon sie
recht dick war, war sie weder unförmig noch hässlich. Im
Gegenteil, sie war sogar sehr attraktiv. Sie trug eine Federboa
um den Hals, und ihr Kleid hatte einen sehr weiten Ausschnitt.
Ihre Brüste waren riesig, es sah beinahe so aus, als ob sie zum
Kleid herausspringen wollten.

Ein junger Mann schaute sie an. Er hatte dunkles Haar und einen
Ziegenbart, und er sass vor einem Glas Bier. Sonst war niemand
an der Bar. Die meisten Leute würden später kommen.
Sie bemerkte seinen Blick, lächelte ihn an, hob ihr Glas und sagte:
"Prost."
"Prost", sagte der junge Mann leise und lächelte verlegen zurück.
"Du wirst mich noch lange genug anstarren können", meinte sie.
"Entschuldigen Sie, ich..."
Sie lachte. "Nur keine Hemmungen, viele Männer stehen auf runde
Frauen." Sie gab ihm die Hand. "Ich bin Christine. Die Leute hier
nennen mich Chrissie."
"Ich bin Simon", sagte er.
"Du kommst nicht oft hierher?" fragte sie.
"Bin das erste Mal hier."
Sie rutschte näher und flüsterte ihm in's Ohr: "Ich arbeite hier."
"Warum sitzt du dann hier", fragte er, "und stehst nicht hinter der
Bar?"
"Ich arbeite nicht als Barmaid."
"Was tust du dann?"
"Ich strippe."
Simon blieb der Mund offen stehen. "Du...strippst?"
"Genau", bekräftigte sie. "Jetzt hast du was, worauf du dich freuen
kannst."
"Aber warum?" fragte er.
"Warum du dich freuen kannst?"
"Nee, warum du strippst."
"Warum sollte ich nicht stippen?"
"Warum gibst du dich für so was her?"
"Ach du meine Güte!" seufzte Chrissie. "Bist du einer von den Mo-
ralischen?"
"Ach nee", machte Simon. "Es nimmt mich nur wunder."
"Geschieden. Alleinerziehende Mutter. Zwei Kinder. Jetzt weisst
du warum."
"Es gibt auch andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen", meinte er.
"Ja, aber da kommen meine Vorzüge nicht zur Geltung."
"Was für Vorzüge?"
Sie hob mit den Händen ihre sonst schon überwältigenden Brüste
hoch. "Hast du schon mal solche Dinger gesehen?"
Verlegen blickte Simon zur Seite. "Du bist krank", sagte er.
"Nein", erwiderte sie. "Aber gibt es denn etwas Schöneres als Sex?
Essen und Sex- das ist es, was das Leben ausmacht."
"Was sagen denn deine Kinder dazu?"
"Die sind noch zu jung, um das zu verstehen."
"Und dein Mann?"
"Hat nichts mehr zu melden."
Jetzt blickte er sie wieder an, schaute ihr direkt in die Augen.
"Machst du's auch?" fragte er.
"Wie meinst du das?"
Treibst du's auch? Mit Kunden?"
Ihr Blick verfinsterte sich. "Ich bin keine Prostituierte", sagte sie.
Dann lachte sie wieder. "Schade, was?"
Im Laufe der Zeit, während sie so dasassen und redeten, füllte sich
die Bar. Schliesslich trat der Barmann zu ihr.
"Okay, Chrissie", sagte er,"welchen Sound willst du heute abend?"
"Irgendwas Ueppiges", lachte sie. "So wie ich."
"Nella Martinetti hab' ich nicht."
"Nella Martinetti? Igitt! Willst du uns're Kunden vergraulen? Das ist
doch nicht sexy! Spiel was von Candye Kane! 'Diva la Grande'!
Und beim nächsten Set spielst du ihre andere Scheibe, die mit '200
lbs of fun' drauf."
Sie erhob sich und wankte zu der kleinen Bühne. Ein Lied ertönte,
ein bombastischer Sound mit Piano und Bläsern. Es war weder Blues
noch Jazz noch Swing noch Rock'n'Roll, es war eine Mischung aus
alldem. Der Song hatte einen Rhytmus, der in die Beine ging. Eine
Frau mit einer leicht verschleierten Stimme begann zu singen:
"You need a great big woman." Chrissie begann zu tanzen und
sich auszuziehen, begleitet von der Musik und den Pfiffen aus dem
Publikum. Ihre nun nackten Titten wippten beim Tanzen auf und ab.
Die Musik drang an Simons Ohr.

                               "You need a great big woman
                                 To show you how to love..."

'Vielleicht sollte ich es mal mit einer probieren', dachte er.

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