Sonntag, 30. Dezember 2012

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 30.12.2012

Wir leben in einer Ueberfluss- Gesellschaft. Zumindest hier bei uns, in
Westeuropa. Alles ist im Ueberfluss vorhanden, gesellschaftlich gese-
hen leiden wir eher am Zuviel als am Zuwenig.

Nun könnte man denken: Ist doch gut so, wenn für Alle mehr als genug vorhan-
den ist. Na ja, das Problem ist ja, dass wir so viel haben und das, was wir zu
viel haben, das haben Andere zu wenig. Es hat zwar von Allem genug für Alle,
aber es ist ungerecht verteilt. Das ist das Problem. Wir hier in Westeuropa zäh-
len Kalorien, um unsere Figur zu behalten, und in Afrika verhungern Kinder.
Wir schmeissen Essensreste auf den Müll, deren Packung noch nicht mal geöff-
net wurde, einzig und allein darum, weil das auf der Packung angegebene Datum
abgelaufen ist, während die Aermsten der Armen sich Tag für Tag fragen müs-
sen, wo sie ihr nächstes Mahl hernehmen sollen. Und das bezieht sich noch nicht
einmal bloss auf die sogenannte Dritte Welt. Nein, auch bei uns, in unserer Ueber-
flussgesellschaft, gibt es Armut. Auch bei uns gibt es Menschen, die nicht wis-
sen, womit sie sich ihr Essen und ihre Unterkunft bezahlen sollen. Die sollen
arbeiten gehen, sagen Sie? Ja, dann geben Sie ihnen einen Job. Können Sie
nicht? Dann brauchen Sie Sich auch nicht das Maul zu zerreissen, wenn Sie
selber ja doch nichts zur Lösung des Problems beitragen können oder wollen.
Hinter jedem Menschen, dem wir auf der Strasse begegnen, sei es dem Mana-
ger mit der Krawatte oder dem Bettler mit dem Joghurtbecher steckt eine Ge-
schichte, ein Schicksal. Wie wollen wir über einen Menschen urteilen kön-
nen, wenn wir nichts über seine Geschichte wissen? Das Lästern ist halt leider
eine menschliche Schwäche, auch ich bin nicht frei davon. Gerade jetzt bin
ich auch am Lästern, ich lästere über Lästerer. "Wer von euch ohne Laster
ist, der werfe den ersten Stein", soll Jesus gesagt haben, als Magdalena zu
ihm gebracht wurde. Jeder wirft mit Steinen, die er besser in seinem eigenen
Garten ansetzen sollte. Und Konsumverweigerung bringt's auch nicht. Oh,
es gibt Konsumverweigerer, wirklich! Da wären zum Beispiel jene, die sich
sagen: "Wir haben Finanzkrise, alles wird teurer und teurer, da klau' ich mir,
was ich brauche." Geklaute Ware geht nicht über's Kassensystem, das in den
heutigen Läden auch das automatische Bestellsystem miteinbezieht. Das Be-
stellsystem weiss dann nicht, dass die Ware fehlt, diese wird deswegen nicht
geliefert, der ehrliche Kunde hat das Nachsehen, und die armen Verkäufer
müssen den Kopf hinhalten. SBO, Self- Based Ordering, Sehr Beschissene
Organisation. Dass diese Menschen eher zur Verstärkung der Finanzkrise
als zu deren Milderung beitragen, das sehen sie nicht ein. Dann gibt es auch
jene Konsumverweigerer, die mit den Abfallbergen der Detailhändler nicht
zufrieden sind und deren Müll durchwühlen, auf der Suche nach noch
Verwertbarem. Die Detailhändler nennen auch das "Diebstahl". So ein
Quatsch, sie haben es ja selbst weggeworfen, weil es sich nicht mehr verk-
aufen lässt! Ablaufdatum, siehe oben! Dem Detailhändler erwächst daraus
kein Schaden mehr. Das Nachsehen hat der arme Penner auf der Strasse,
der sich das Essen im Laden nicht leisten kann und zu ehrlich oder zu un-
geschickt zum Klauen ist- jetzt fressen ihm die Leute, die eigentlich Geld
hätten, um sich das ganze Zeug kaufen zu können, die Haare vom Kopf!
Hätten sie es gekauft, dann wäre es nicht dort auf dem Müll gelandet-
vielleicht wäre es anderswo auf dem Müll gelandet, aber immerhin nicht
beim Detailhändler. Nun könnte man diese Ware doch einer gemeinnützi-
gen Organisation abgeben, die sie an die Bedürftigen verteilt. Das machen
einige Detailhändler tatsächlich, und sie werden nicht müde, das ganze
Jahr hindurch in ihren Mitteilungsblättern darauf hinzuweisen: "Wir
schauen nicht weg, wir tun etwas, wir helfen, wo wir können." Und
wann kommen Vertreter dieser Organisationen, um sich solche Ware zu
holen? Vor Ostern und vor Weihnachten! Als ich im Detailhandel arbei-
tete, sah man die Leute von diesen Organisationen jedenfalls kaum mehr
als dies. Die Detailhändler würden darauf sagen, das liege an den Organi-
sationen, die Organisationen würden sagen, das liege an den Detailhänd-
lern. Seit Adam und Eva, immer die selbe Geschichte, die Menschheit
scheint nichts gelernt zu haben! Nun, liebe Detailhändler, Sie werden
jetzt vielleicht ausrufen, ich sei ein Nestbeschmutzer. Nun, in diesen
Sachen liegt es an Ihnen, den Vogelkäfig auszumisten...

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