Sonntag, 2. Dezember 2012
Kurzgeschichte: Der Diamant von Majoran
Die Frau sass im Treppenhaus, als ich gerade in's Büro wollte. Sie war gross
und üppig, hatte ein hübsches Gesicht, nur etwas zu viel Lidschatten aufgetra-
gen, und langes, kastanienbraunes Haar. Sie trug ein ärmelloses, dünnes,
schwarzes Kleid, ihre stämmigen Beine steckten in schwarzen Strümpfen,
ihre Füsse in High-Heels. Ich wusste nicht, was ich denken sollte: Sollte ich
mir überlegen, wie sie in diesen Schuhen gehen konnte oder wie ich es fertig
brächte, an ihre Schenkel ranzukommen. Sie stand auf. O ja, sie war gross,
fast so gross wie ich, selbst wenn man die Schuhe wegrechnete. Alles an ihr
war gross: der Busen, der Hintern. Wäre sie nicht so attraktiv gewesen, hätte
sie einer Zeichnung von Robert Crumb entsrungen sein können.
"Sind Sie Roman Torso, der Privatdetektiv?" fragte sie. Sie hatte eine sehr an-
genehme Stimme. Ich wusste, dass sie wusste, dass ich Roman Torso bin.
"Nein", log ich. "Ich bin Fritz the Cat, der Herumtreiber. Und wer sind Sie?"
"Sie sind Roman Torso." Sie blickte mir direkt in die Augen, als sie dies
sagte. Ihre waren haselnussbraun. "Man hat mir gesgt, Sie hätten einen etwas
kruden Humor."
"Den hatte Charles Bukowski auch", meinte ich. "Ist ja nichts Illegales."
Sie reichte mir die Hand. "Ich bin Felicitas Elflein."
"Dann bin ich der kleine Hobbit", sagte ich, als ich die Hand entgegen nahm.
"Können wir in Ihr Büro gehen?" fragte sie.
"Natürlich." Ich öffnete die Tür und hiess sie eintreten. "Willkommen in Mittel-
erde."
Als wir drin waren, bot ich ihr einen Stuhl und was zu trinken an- sie nahm eine
Pepsi light-, dann setzte ich mich selbst und fragte: "Also, was kann ich für Sie
tun, Frau Elflein? Ihr Gatte wird wohl kaum verschwunden sein, da Sie, trotz
Ihrer Schönheit, noch ledig sind...?" Es klang wie die Frage, die es auch war.
"Woher wissen Sie, dass...?"
"Kein Ehering, zu viel Schminke für eine verheiratete Frau." Ich versuchte, ein
bisschen Patrick Jane zu spielen, in Wahrheit bluffte ich nur. "Für eine Prosti-
tuierte sind Sie zu elegant angezogen. Ich tippe auf einen Job im Service, Kell-
nerin oder Barmaid."
"Sie haben Recht. Ich arbeite als Kellnerin im Hotel Kreuz. Wir wollten uns
nicht an die Polizei wenden. Noch nicht."
"Worum geht es?"
"Einem unserer Gäste ist während des Mittagessens gestern etwas abhanden
gekommen. Ein seltener, teurer Diamant."
"War der nicht im Hotelsafe?"
"Nein, der Maharadscha- es handelt sich um den Maharadscha von Majoran,
einem kleinen Stadtstaat in Südindien- misstraut allem und jedem. Er hatte
den Diamanten stets in seiner Nähe, in seiner Aktenmappe, die er nie aus den
Augen lässt."
"Muss er wohl doch, sonst wäre der Stein doch noch da."
"Nun, genau das ist ja das Seltsame. Die Mappe lag die ganze Zeit auf des Ma-
haradschas Schoss. Hätte da Jemand rangewollt, hätte er das gemerkt."
"Und warum nicht die Polizei? Oder der Hoteldetektiv?"
"Sowohl der Maharadscha als auch das Hotel wünschen Diskretion. Und, wie
schon gesagt, der Maharadscha ist misstrauisch. Er verlangte einen Detektiv
von ausserhalb. Ich habe schon verschiedentlich von Ihnen gehört, also schlug
ich vor, Sie mit der Sache zu betrauen. Worauf die Hotelleitung mir grünes
Licht gab."
"Also gut. Ich übernehme den Fall. Und als erstes möchte ich gerne mit dem
Maharadscha selbst reden."
"Ich hoffe, dass sich dies einrichten lässt."
Am nächsten Tag zur Mittagszeit sass ich dem Maharadscha von Majoran an
einem Tisch im Hotel Kreuz gegenüber. Er trug einen Turban, einen schwar-
zen Bart, und er sprach englisch mit Akzent. Allein seine Erscheinung war
nicht gerade ein Ausbund an Diskretion.
"I miss my chicken-curry", sagte er gerade. "You know chicken-curry? The
chicken-curry of Majoran is best chicken-curry in the whole world."
Ich versuchte, ihn nachzuäffen: "Yes, yes. And I can tell you the future. To-
morrow the sun comes up."
"Are you a- kidding me?"
"I'd rather wanted to kid-a-nap you. Spass beiseite: Ich wurde angeheuert,
den verschwundenen Diamanten wiederzufinden."
"For what? Diamond is back."
"Wie? Der Diamant ist zurück?"
"Yes. Back in my bag. This morning I found it there. Never was gone."
"Can I see the diamond?"
Er öffnete die Tasche und zeigte mir den Klunker. Ein Prachtsexemplar!
Ich riss ihn ihm aus der Hand und warf ihn zu Boden. Das Ding zerbrach
in tausend Stücke.
"My diamond!" schrie der Maharadscha.
"Ein falscher Diamant!" schrie ich zurück.
"Where is the real one?"
"Es gibt keinen."
"What?"
"Ganz recht, es gibt keinen. Das Ganze ist nur ein Riesenschwindel. Es
gibt weder einen Diamanten noch einen Maharadscha von Majoran. Wenn,
dann würde er kaum in solch alberner Verkleidung absteigen und schon
gar nicht mit solch idiotischem Akzent englisch sprechen. Man merkt, dass
hier jemand bei Viktor Giacobbo abgekupfert hat. Sie brauchen sogar seine
Witze. Chicken-Curry, pfui! Ich ahnte, dass etwas faul war und ging bei
der Polizei die Reihe der Trickbetrüger durch. Inder sind Sie zwar, aber
Ihr Name lautet Penn Sarasinndhi, ein armer Schlucker, der gerne in andere
Rollen schlüpft, um irgendwo unterzukommen. Wenn dann eine Rechnung
verschickt wird, kommt die natürlich nie irgendwo an. Deswegen auch woll-
ten Sie keine Polizei. Sie hätten zu leicht erkannt werden können. Gratuliere,
das war Ihr Glanzstück."
"Na gut, Sie haben mich", knurrte der Inder. "Aber für eine Verurteilung dürf-
te das nicht reichen."
"Da kommen Sie wohl noch mal davon. Schliesslich verbietet kein Gesetz,
Glas in einer Aktenmappe bei sich zu tragen." Ich stand auf und verabschie-
dete mich. "Alles Weitere müssen Sie wohl mit der Hotelleitung klären."
"Wie kamen Sie auf die Idee, dass alles eine Täuschung war?" fragte die Elf-
lein, die während Ihrer Zimmerstunde zu mir kam. Sie fand mich noch in der
Lobby, wo ich die Gelegenheit wahrnahm, gratis eine Zeitschrift zu lesen.
"Ich wurde schon hellhörig, als Sie mir erzählten, der Maharadscha von Ma-
joran wäre im Hotel Kreuz abgestiegen", erklärte ich.
"Und?"
"Ein echter Maharadscha wäre in den Schweizerhof."
Ich nickte ihren Schenkeln zu, tippte an die Stirn und verliess das Hotel.
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