Montag, 2. September 2013
Kurzgeschichte: Der maskierte Kavalier
Zeichnung von Les Toil
"Oh, eine Rose", meinte die kurvenreiche Brünette, die sich in ihrem
Salon auf einer Liege räkelte. "Man nennt dich nicht umsonst den
'Maskierten Kavalier'."
"Zu Ihren Diensten, Madame", sagte der braungebrannte, dunkel-
haarige Mann, der nebst einem Schnurrbart eine Gesichtsmaske trug,
die seine Augen verdeckte.
"Mademoiselle", erwiderte die Dame, als sie aufstand und die Rose
entgegen nahm. "Ich bin nicht verheiratet."
"Ich weiss", antwortete der Maskierte. "Aber ein Kavalier greift nicht
vor."
"Ah, einer von der ganz alten Sorte", meinte die Frau, als sie die Rose
einstellte. Danach setzte sie sich wieder auf die Liege. Ihr Kleid rutsch-
te rauf, so dass ihre wohlgeformten Beine sichtbar wurden. "Ich befeh-
le dir aber, mich zu duzen und dich zu mir zu setzen. Du weisst doch,
wie ich heisse?" Sie deutete auf den Platz neben ihr. Er setzte sich.
"Aber natürlich. Sophie."
Sie lächelte ihn an. "Sehr gut. Du hast deine Aufgaben gemacht."
"Anders wäre ich niemals bis zu dir durchgedrungen."
"Und wie heisst du?" fragte sie und begann, mit ihm zu flirten.
"Ich bin der 'Maskierte Kavalier'", antwortete er. "Das muss genügen."
"Es heisst, du würdest mir ein Geschäft anbieten wollen?"
"Ein sehr lukratives Geschäft, wie ich meine. Aber zunächst muss ich
wissen, ob es stimmt, was auf der Strasse über dich erzählt wird."
"Was wird denn auf der Strasse über mich erzählt?" Sie griff ihm in den
Schritt. Er hatte Mühe, sich zu beherrschen, aber er blieb sachlich.
"Du hättest in dieser Stadt die Oberhand", erklärte er. "Drogenhandel,
Prostitution, Menschenschmuggel, einfach über Alles..."
Sie nahm ihre Hand von seiner Hose, um damit eine kleine Klingel zu
bedienen. Ein bulliger Butler erschien.
"Pierrot", sagte sie zu diesem, "bringen Sie mir bitte die Kassette."
Der Butler verneigte sich und ging, um kurz darauf wieder zu erscheinen,
mit einer hölzernen Truhe, die er auf den Tisch legte. Wieder verneigte
er und verschwand.
"Was ist das?" fragte der Kavalier.
"Mach es auf", bedeutete ihm Sophie. Er öffnete die Truhe. Was er darin
sah, verschlug ihm beinahe die Sprache.
"Das ist ja..." stammelte er.
"Genug Kokain, um halb Paris damit lahm zu legen", vervollständigte sie.
Er schloss die Kassette. "Okay, das genügt", meinte er dann und zog einen
Kassettenrekorder aus seinem altmodischen Anzug.
"Genug Kokain, um halb Paris damit lahm zu legen", hörte sie ihre eigene
Stimme sagen.
"Sophie Rambeau", sprach der maskierte Mann und holte Handschellen,
Pistole und eine Polizeimarke hervor, "sie sind hiermit verhaftet wegen
illegalen Drogenhandels."
Sophie Rambeaus hübsches Lächeln erstarb. "Aber was...? Wie..?"
"Es dauerte zwei Jahre", erläuterte er, "um sich in der Unterwelt einen Ruf
aufzubauen und so bis hierher durchzudringen. Ich weiss, ein Tonband ist
lediglich ein Indizienbeweis, aber nun haben wir endlich eine Handhabe."
Zwei uniformierte Polizisten stürmten den Salon und nahmen Sophie Ram-
beau mit.
"Ach, übrigens", rief der maskierte Mann ihr noch nach. "Mein Name ist
Chevalier."
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