Mittwoch, 7. März 2018

"Geschlossene Abteilung", Kapitel 6

"Sonntag abend um Zehn wieder hier", gebot die Oberschwester,
als sie die Patienten, welche über das Wochenende nach Hause
konnten, an der Stationstüre verabschiedete. Es waren längst
nicht alle, die gehen konnten, ein paar, die entweder erst gerade
eingeliefert worden waren oder bei denen es zu riskant war, sie
rauszulassen, mussten drinnen ausharren. Aber Philipp, August
und Monika konnten raus. Zu dritt fuhren sie im Zug in die
Stadt, wo sie sich schliesslich trennten. Philipp reiste weiter nach
Hause, August und Monika blieben in der Stadt.
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"Jetzt besorgen wir uns erst etwas Stoff", sagte August.
"Hast du denn Geld?" fragte Monika.
"Na klar", machte er und zog ein Bündel Hunderter hervor.
"Wo hast du die her?" fragte sie.
"Die hab' ich der Oberschwester geklaut", antwortete er, und sie
gingen singend weiter, sie folgte ihm, und während des Weges
sang er "Money, Money, Money", den alten ABBA-Hit. In einer
Eckgasse kam ein schlecht rasierter Typ mit einer Wollmütze
auf dem Kopf auf sie zu.
"Hast du den Stoff gekriegt?" fragte August ihn.
"Klar, die Spritzen hab' ich auch schon bereit", antwortete der
Andere ihm. "Hast du das Geld?"
"Klar, hier", sagte Augusr und reichte ihm die Scheine.
"Vergiss nicht", flüsterte dieser, "du hast das Zeug nicht von
mir."
"Na klar", beschwichtigte August. "Ich weiss doch, wie der
Laden läuft."
Dann verschwand der Mützenträger um die nächste Ecke, und
August zog die Spritzen auf und reichte Monika eine davon.
Sie suchte sich eine Vene und gab sich einen Schuss, und Au-
gust tat das Gleiche.
"Ein Traum erfüllt sich heute", stöhnte Monika, dann schlief
sie ein, ihr Kopf sackte auf Augusts Schoss. Er fühlte ihren
Puls.
"Ach du Scheisse!" entfuhr es ihm. Sie hatte keinen Puls mehr.
Er legte sie auf den Rücken und horchte auf ihren Herzschlag,
aber sie hatte auch keinen Herzschlag mehr. Er öffnete ihr die
Hose und liess seine eigene auch runter, dann bestieg er sie.
Als er fertig war und sich die Hose wieder zuzog- ihre liess er
unten- meinte er leise: "Gottes Wege sind unergründlich. Du
wirst es wohl verdient haben." Dann ging er und liess sie lie-
gen, auf dem kalten Asphalt einer kalten Stadt.

Philipp war bereits wieder zurück auf der Abteilung, als Au-
gust am Sonntag zurückkehrte.
"Wo bleibt Frau Neuenschwander?" fragte die Oberschwester.
"Was weiss ich?" log August. "In der Stadt haben wir uns ge-
trennt, da ging jeder seinen eigenen Weg."
"Schon gut, gehen Sie auf Ihr Zimmer."
Auf dem Weg zum Zimmer sang August einen alten Gospel-
song aus den Appalachen:
                      "Will the circle be unbroken
                        Bye and bye, Lord, bye and bye
                        There's a better home a-waitin'
                        In the sky, Lord, in the sky."
Es klang, als ob er allen Anderen einen Hinweis geben wollte,
wo Monika abgeblieben war, ein letzter unverfrorener Schlag
ins Gesicht der hinterbliebenen Menschheit.

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