Montag, 2. September 2013

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 2.9.2013


Zeichnung von Debu-Rabu

Am Wochenende war ich mit meiner Freundin in Deutschland, da ihre Schwester
Geburtstag hatte. Gefeiert wurde bei ihren Eltern, wo die Gäste auch gleich über-
nachteten. Da die Zimmer bereits belegt waren, übernachteten meine Freundin
und ich im Gartenhaus. Ihre Eltern haben nämlich einen grossen Garten, etwas
abseits der Ortschaft, in der sie wohnen; und in diesem Garten befindet sich ein
Häuschen mit einem Bett, einer Kochnische und einem Abspülbecken.
"Ich hoffe, ihr fühlt euch nicht ausgegrenzt", meinten ihre Eltern zu uns.
"Nein, das ist doch toll so", meinte meine Freundin. "Wir haben dort unser eige-
nes kleines Liebesnest."
Angekommen waren wir mit dem ICE, ihr Vater hatte uns am Bahnhof abgeholt.
Ihre Schwester fragte: "Ist das nicht zu teuer, mit dem ICE?"
"In der Schweiz bezahlt man das Ticket für die Strecke, da wird kein Unterschied
gemacht", erklärte meine Freundin. Offenbar bezahlt man in Deutschland für
ICE oder Schnellzug einen Zuschlag. Und wir hier beklagen uns so schon, unser
Tarifsystem wäre zu kompliziert!
"Ueber Luzern oder über Olten?"
"Woher soll ich wissen, wo der Zug durchfährt?"
Oder:
"Ueber Wolhusen oder über Entlebuch?"
"Nur über's Wochenende..."
Meine Freundin durfte, da wir im Garten übernachteten, nach längerer Zeit mal
wieder Auto fahren. Da freute sie sich unheimlich. Noch mehr freute sie sich,
dass sie es noch kann.
Das Abendessen wurde von ihrer Schwester spendiert, da waren wir in einem
Restaurant in der Nähe. Das Tagesessen war ein Fischgericht, und da ich
Fisch viel lieber mag als Fleisch, entschied ich mich für dieses. Ueberhaupt
hat die deutsche Küche ein paar interessante Besonderheiten zu bieten, die
wir hier in der Schweiz nicht kennen. Sie hingegen kennen z.B. Rösti oder
Aelpler Magronen nicht. Frikadellen allerdings kann ich irgendwie nichts
abgewinnen. Da frag' ich mich, wie Jemand kalte Hamburger-Klöpse essen
kann...Sehr schmackhaft sind dort drüben hingegen die Süssgebäcke, und
oft doppelt so gross als jene bei uns. Würde bei uns so gebacken, käme so-
gleich irgendein Vertreter des BAG (Bundesamt für Gesundheit) um die
Ecke und würde einen Vortrag über Kalorien halten...Ach ja, wenn wir
schon mal dabei sind: Niemals in der Schweiz einen "Käsekuchen" bestel-
len, der ist hier nämlich wirklich aus Käse! Das, was andern Orts als Käse-
kuchen oder Cheesecake bekannt ist, heisst bei uns Quarktorte. Ausser bei
"McCafé". Der darf Cheesecake unter diesem Namen anbieten, ohne dass
von mangelnder Integration gesprochen wird. Während unsere Politiker
von den Immigranten verlangen, dass sie- zumindest in der Deutschschweiz-
Deutsch lernen. Meistens verlangen dies gerade jene Politiker, die selber
kein Deutsch können.
Aber zurück zu unserem Aufenthalt in "Germany". Am folgenden Tag
machte ein Teil der Familie eine dreistündige Bergwanderung. Als meine
Freundin damals in die Schweiz gekommen war, da, sagt sie heute, hätte
sie erst gemerkt, was wirklich Berge sind. Sie und ich, wir gingen nicht
mit. Wir wollten lieber etwas länger schlafen, danach gingen wir schwim-
men, in einem grossen Baggersee bei einem stillgelegten Kieswerk.
Ich las ein "John Sinclair"-Heft zu Ende. Meine Freundin erzählte mir
mal, diese Hefte würden von verschiedenen Autoren geschrieben. Ich
hatte zwei davon dabei und meinte dann: "Das muss vom selben Autor
sein. Einer allein kann gar nicht so schlecht schreiben." Ich gab diese
Hefte dann an meine Freundin weiter, die mag "John Sinclair" mehr
als ich. Ihre Schwester erhielt von mir übrigens Dan Browns "Inferno".
Sie hatte es schon in Englisch begonnen, zeigte sich aber froh über die
deutsche Version, da die Handlung so kompliziert wäre.
Meine Freundin hat es übrigens tatsächlich geschafft, mich für "Harry
Potter" zu begeistern. Nachdem ich die ersten drei Bände durch hatte,
brauchte ich aber doch wieder etwas Anderes, und kaufte mir ein Buch,
das ich "Harry Potter für Erwachsene" nenne: Geschichten von H.P.
Lovecraft.
Als es an die Rückreise ging, fuhr ihr Vater uns wieder zum Bahnhof,
und wir waren- so schön es auch war- doch froh, wieder zuhause zu
sein.

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