Montag, 3. Juni 2013

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 3.6.2013

Vor einigen Tagen war ein Vortrag bzw. Diskussionsforum zum Thema
ADHS und ADS, zu dem meine Freundin wollte. "Stargast" dieses
Forums war der österreichische ADHS-Experte und Buchautor Gerhard
Spitzer.

Meiner Freundin war Gerhard Spitzer schon lange ein Begriff, und
bei mir läuft ja gerade die ASDS- Abklärung, also fuhren wir gemein-
sam dorthin. Es war ein Gespräch, das von einer Psychologin geleitet
wurde, mit drei Betroffenen und eben Gerhard Spitzer. Also vier
Betroffenen, denn Spitzer hat selber ADHS. Bei seinem Vortrag kam
ihm das aber zugute. Selten habe ich einen Menschen so gut, so
humorvoll und kurzweilig vortragen hören. "Früher wurde ich für den
Blödsinn gerügt, den ich erzähle", sagte er, "heute verdiene ich mein
Geld damit." Und erzählen kann er. Der Mann könnte genau so gut Arzt
wie Comedian sein. Warum auch nicht? Hirschhausen ist schliesslich
auch beides. Und Spitzer weiss seinen Humor einzusetzen. Besonders
zu lachen gab ein absichtlich platzierter "freudscher" Versprecher, das
Wort "telefonanieren." Hatte aber im Kontext des Vortrags nichts mit dem
zu tun, was einige meiner Leser nun vielleicht vermuten.
In der Pause besorgten wir, meine Freundin und ich, uns beide ein Exemplar
von Spiters Buch "Warum zappelt Philipp?-Wie wir entspannt mit ADHS
umgehen können" und liessen uns dieses vom Autor signieren.

Die Geschichte mit dem "Telefonanieren" wird im Buch auch erzählt,
allerdings ohne den Versprecher. Dort heisst es einfach "telefonieren".
Was auf einer Bühne funktioniert, passt nun mal eben nicht unbedingt
auch in ein Sachbuch.
Mit etwas Verspätung ging die Veranstaltung dann weiter, und als wir
zurück kamen, erreichten wir gerade noch die letzten Verbindungen
nach Hause.

Und meine Abklärung geht weiter. Inzwischen erhielt ich den Befund
des MRI. In diesem steht: "Die Liquorräume sind altersentsprechen
schlank. Keine Hinweise auf Hirnatropie oder Hydrocephalus. Keine
fokalen Hirnparenchylmäsionen. Keine Anhaltspunkte auf vaskuläre
Encephalopathie, Blutung oder Raumforderung. Normales Flusssignal
der grossen Gefässe. Kein pathologisches Enhancement parenchymal
oder meningeal. Sellaloge und kraniozervikaler Uebergang o.B. Normal
belüftete NNH und Felsenbeine." Das hab' ich mir nicht etwa ausgedacht
und aus den Fingern gezogen, das steht dort tatsächlich, und das ist auch
keine satirische Erhöhung! Das heisst tatsächlich etwas, und zwar, in
Allgemeinsprache übersetzt, soviel wie: "Wir haben nichts Ausserge-
wohnliches gefunden, das Gehirn des Patienten ist gesund." Und das
ist nur der Text, der unter "Befund" steht. Was unter "Beurteilung"
steht, lasse ich hier aus. Der nächste Schritt wird ein erstes Gespräch
mit einer Psychologin sein, das erste von ungefähr drei bis vier Ge-
sprächen.

Später, im Einkaufszentrum, traf ich auf unser schizophrenes Dorforiginal.
Nun befasst er sich wieder weniger mit den schwarzen Löchern im Univer-
sum, sondern mit antiken Göttern.
"Ich arbeite an einer Göttersprache", sagte er. Dazu nimmt er die Namen
der antiken Götter und verwendet diese quasi wie Synonyme für das, was
er eigentlich meint.
"Aber Donar für Gewitter ist doch etwas gar einfach", meinte ich.
"Wenn ich früher hörte, Thor hätte einen Hammer", erläuterte er, "glaubte
ich, das wäre ganz anders gemeint gewesen."

Und dann deklamierte er, die Vorstellung des Donnergottes mit dem Hammer
wäre von der Schmiede her, da der Schmied mit dem Hammer auf den Amboss
schlägt und es dabei "blitzt" und "donnert.
"Wäre demzufolge eigentlich Hephaistos der Blitzeschleuderer gewesen?"
stellte ich als Frage in den Raum. "Bevor Zeus resp. Jupiter diese Rolle
übernahm? Die alten Mythologien wurden nämlich immer wieder umgeschrie-
ben, je nach der gerade gängigen Ideologie."
"Das ist ein guter Gedanke", meinte er. "Was denkst du, war er?"
"Keine Ahnung", erwiderte ich. "Ich war damals noch nicht auf dem Olymp."
"Nicht? Wo warst du dann?"
"Ich fiel gerade aus Walhalla."
Humor ist doch echt etwas Göttliches.

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