Dienstag, 13. August 2013

Aufzeichnungen eines Aussenseiters, 13.8.2013

Manchmal trügt der Schein, insbesondere dann, wenn man etwas nur vorder-
gründig betrachtet. Während meiner Schulzeit gab es ein paar Jungs, die es
mochten, Andere zu verkloppen. Als die Klasse während einer Turnstunde
mal wünschen konnte, welcher Mannschaftssport gespielt werden sollte,
wünschten sie sich Rugby, weil sie dachten, da könnten sie so schön auf ihre
Gegner eindreschen. Wie überrascht war doch die ganze Klasse, als wir erfuh-
ren, dass Rugby gar nicht so einfach ist, sondern echt schwierige Regeln hat.

Der Ball oder das Ei, ich weiss nicht, wie der korrekte Ausdruck lautet, darf
nur rückwärts geworfen werden. Das war die grösste Schwierigkeit, denn in
allen anderen Mannschaftssportarten, die wir kannten, wird der Ball vorwärts
zugespielt. Das brauchte ziemliche Kopfarbeit, bis wir das begriffen, und das
war genau das, womit unsere Schlägertypen nicht gerechnet hatten. Trotzdem
war es interessant, diese bei uns eher unpopulärere Sportart einmal kennenge-
lernt zu haben.
Ebenso wie Baseball. Das probierten wir auch während einer Schulturnstunde
mal aus. Zuerst nahmen wir zum Schlagen, der fehlenden Uebung wegen,
einen Tennisschläger, bevor wir uns an den Baseballschläger wagten. Rugby
mochte ich nicht, Baseball hingegen schon. Die Regeln dort ähneln fast ein
wenig jenen von Spielen, die bei uns unter den Namen "Brennball" oder
"Völkerball" bekannt sind. Oder es damals zumindest waren. Möglicher-
weise wurde "Völkerball" inzwischen umbenannt, damit niemand auf die
Idee kommen könnte, das Spiel wäre "rassistisch". Damals, zu meiner
Schulzeit, dachte man an so was noch gar nicht. Da spielten wir noch ein
Spiel mit dem Titel "Wer hat Angst vor'm schwarzen Mann?", ohne dass
dabei irgend Jemand von uns an einen Afrikaner gedacht hatte. Es gab
an unserer Schule sogar einen Farbigen, und nicht einmal für den schien
dieses Spiel ein Problem zu sein. Natürlich ist es richtig, dass die Bevöl-
kerung für dieses Thema sensibilisiert wird, ich denke aber, dass vieles
von der Politik, und zwar von rechts und links, aufgemotzt wird. Okay,
ich gebe zu, ein Lied wie "Zehn kleine Negerlein", das wir zu Kinder-
gartenzeiten noch sangen, ist heute problematisch. Das einst unter diesem
Titel erschienene Buch von Agatha Christie wurde inzwischen in "...und
dann gab's keines mehr" umbenannt, wobei ich nicht unbedingt sagen
würde, dass dies ein besserer Titel sei. Das Wort "Neger" gilt für Farbige
als Beleidigung, was durchaus verständlich ist, wenn man die Geschichte
dieses Wortes kennt. Das Wort leitet sich vom englischen "nigger" ab,
wie die amerikanischen Plantagenherren ihre Sklaven bezeichneten.
Deswegen wird das Wort nicht gern gehört, es erinnert diese Menschen
an jenen Teil der Vergangenheit, den sie eigentlich hinter sich gelassen
hätten.
Vor einigen Jahren arbeitete ich mit einem Afrikaner zusammen, der
sehr gerne Bananen ass, weswegen ihn ein anderer Mitarbeiter "Banana
Joe" nannte. Das mochte der Afrikaner nicht leiden, und er nannte sei-
nerseits diesen Mitarbeiter, der übergewichtig war, "Elefant". Diese
Geschichte führte dazu, dass eine Teamsitzung einberufen wurde, an
welcher unser Chef gleich beiden in's Gewissen redete, und zwar mit
Nachdruck. Was er dabei sagte, beindruckt mich noch bis heute, denn
da gebe ich ihm vollumfänglich recht: Rassismus ist nicht bloss in Be-
zug auf die Hautfarbe oder die Herkunft, nein, Rassismus beginnt be-
reits dort, wenn man sagt: 'Du bist zu klein', 'Du bist zu gross', 'Du bist
zu dick', 'Du bist zu dünn', also bereits überall dort, wo das Gegenüber
nicht so akzeptiert wird, wie es ist. Das erinnert mich ein bisschen auch
an Woody Guthrie, den amerikanischen Folk-Musiker, der mal gesagt
haben soll, er wolle keine Lieder singen, die seinen Mitmenschen sagen,
sie wären zu dies oder zu das oder sonst nicht gut, sondern Lieder, die
seine Zuhörer stolz sein lassen auf das, was sie sind und tun.
In der Schule hatten wir einen serbischen Jungen in unserer Klasse- das
war gerade die Zeit, als in Ex-Jugoslawien der Bürgerkrieg so richtig
begann. Dieser kam in der fünften Klasse zu uns, ohne ein Wort deutsch
zu können. In der neunten Klasse erklärte er uns, die wir deutsch als
Muttersprache hätten, deutsche Wörter. Damals mochte einige von
uns dies etwas stören, heute finde ich das bewundernswert.

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